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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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Zigarette.
»Wir ham uns grad ganz gemütlich einen Dübel reingezogen. Da klingelt’s an der
Tür. Wir schaun raus. Die Bullen! Basti zum Klo und das Zeug runtergespült. Ich
kick das Piece unter das Möbel und reiß die Fenster auf. Der Lucki hat so ein
giftiges Raumspray rumstehen, damit hat er alles eingenebelt. Dann ist er
runter und hat aufgemacht. Die Bullen machen gleich einen Lauten. Sie hätten
einen Tipp gekriegt, dass hier Jugendliche Drogen konsumieren. Möcht wissen,
wer das war!«
    »War der Flo auch dabei?«, fragte Julian.
    »Welcher Flo?«, quatschte Dennis dazwischen.
    »Den kennst ned.« Tobias schnipste den Zigarettenstummel in den
Garten. »Jau. Der Flo war da, ist aber stiften gegangen. Hätt sich bald in d’
Hosn gemacht, als die Bullerei draußen stand. Von wegen seiner Lehrstelle und
weil sie ihn ja schon einmal erwischt haben. Sein Chef gibt ihm nur noch die
eine Chance.«
    Unten wurde die verglaste Doppeltür des großen Zimmers aufgeriegelt,
und einige Mädchen gingen ratschend und kichernd auf die Wiese hinaus. Die
Jungs vergaßen bei diesen Geräuschen sofort jedes Thema, beugten sich
schleunigst über die Mauer, begutachteten wie Zirkusbesucher das Geschehen in
der Arena und pfiffen anerkennend.
    Die Mädchen gaben sich nicht die Blöße, zu den Kerlen nach oben zu
schauen. Allerhöchstens aus den Augenwinkeln spähten sie hinauf. Sie wussten
schon, was jetzt gleich geschah. Egal, wer von denen auf der Dachterrasse saß.
Es war jedes Mal dasselbe.
    Sie schalteten den mitgebrachten CD -Spieler ein, stellten
sich in ausreichenden Abständen unter die alten Obstbäume und nahmen die Ausgangsposition
ein. Als die ersten Töne der asiatischen Entspannungsmusik erklangen, begannen
sie ziemlich synchron mit ihren Übungen.
    Die Jungs oben fingen zu grölen und zu schreien an. Mit Tai-Chi
konnten sie absolut nichts anfangen. Dementsprechend laut und geistreich waren
ihre Bemerkungen. Man hätte nicht geglaubt, dass sie alle schon über sechs
Jahre alt waren. Einzig Linus hielt sich zurück. Nicht, weil er so gut erzogen
gewesen wäre, sondern weil er Anna entdeckt hatte. In aufrechter Haltung beugte
sie ihre Knie, und ihre schmalen Arme glitten durch die Luft. Für Linus sah es
perfekt aus, wie sie es machte. So anmutig und grazil. Sie hatte ihre langen
dunklen Haare zu einem Zopf geflochten, der ihr weit über den Rücken hing und
mit ihren Bewegungen mitschwang.
    »Hey, Alter! Bist eingeschlafen?« Dennis rammte Linus
kameradschaftlich den Ellbogen in die Seite. Der musste sich tatsächlich
anstrengen, wieder in die Gegenwart zurückzukehren. In Gedanken war er ganz
woanders gewesen.
    »Wir fahren jetzt nach Pocking, Billard spielen, kommst mit?« Tobias
schaute ihn fragend an.
    Linus schüttelte den Kopf. »Nein, geht’s nur.« Er hatte etwas
anderes vor.
    Zwanzig Uhr dreiundvierzig
    »Muzikám, ich gehe ins Bett.« Tibor drückte ihr einen Kuss auf
die Haare. »Schau nicht mehr zu lange.«
    Magdalena nahm den Blick nicht vom Fernseher. »Ja. Gute Nacht, Tibikém .« Es lief ein Rosamunde-Pilcher-Film, da wollte sie
nichts versäumen.
    Tibor tappte mit Hilfe seines Stockes aus dem Zimmer. Da sie ein
separates Schlafzimmer nebenan hatten, fiel es seiner Frau nicht weiter auf,
dass er sich mitnichten zur Ruhe begab. Leise schloss er die Tür und fragte
sich, wohin er sich wenden sollte. Nach rechts oder nach links? Einen Plan
hatte er nicht, aber irgendwie das Gefühl, dass er heute etwas in Erfahrung
bringen musste.
    Intuitiv wandte er sich nach rechts. Vorne beim Schwesternzimmer war
Licht, das durch die gläsernen Wände in den Gang strahlte. So war es
einigermaßen hell, denn die Deckenbeleuchtung war schon auf Nachtbetrieb
umgestellt. Nur jede zweite Lampe brannte.
    Also entschied er sich wie ein Nachtfalter für die erleuchtete Seite
des Flurs. Mit kleinen, leisen Trippelschritten wagte er sich vorwärts. Wer
hatte heute Nacht Dienst? Er näherte sich dem Schwesternzimmer, hörte eine
Stimme. Ah, die nette Kerstin. Schön.
    Er schaute sich um. Niemand sonst war unterwegs. Die Alten waren auf
ihren Zimmern. Wie es sich gehörte. Brav. Auch er wäre normalerweise nicht hier
gewesen. Würde Fernsehschauen oder schlafen. Zum Lesen waren seine Augen zu
schlecht. Vor allem in der Nacht. Aber heute verspürte er den Drang, etwas zu
unternehmen.
    Inzwischen war er mit seinen leisen Hausschuhschritten beim
Schwesternzimmer angelangt. Er beugte sich leicht vor und schaute durch die
Glaswand.

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