Unguad
Sie
natürlich auch, wenn Sie möchten.«
Nun waren wir also alle per du. Herr Biedersteiner hieß Bernhard.
Ich musste schmunzeln, Bernhard Biedersteiner, BB . Nun gut. Schön, dass
wir uns so gut verstanden. Es wurde geplauscht. Bernhard erzählte, dass er in
unserem Ort eine »Tafel« gründen wollte. Das war ein Verein, der von Geschäften
und Lokalen Lebensmittel einsammelte und an die Bedürftigen der Gemeinde
verteilte. Pocking und Fürstenzell hatten bereits jeweils eine, jetzt sollte in
Kirchmünster endlich ebenfalls so etwas installiert werden.
Ich fand die Idee prima. Hielt mich jedoch bedeckt. Keine Ahnung,
wann ich die Zeit haben sollte, dabei auch noch mitzuhelfen. Heidemarie
allerdings war gleich voller Tatendrang. Sie bot sofort ihre Hilfe an.
Bernhard war begeistert. »Wie schön, dann komm doch heute Abend um
zwanzig Uhr in den Wirt z’Kirchmünster am Kirchplatz. Da ist die
konstituierende Sitzung. Mit dem Bürgermeister habe ich bereits gesprochen. Er
hat mir sofort seine Unterstützung zugesagt. Er will das Projekt mit monatlich
hundert Euro bezuschussen, und es steht außer Frage, dass die Mitarbeiter der
Verwaltung die entsprechenden Ausweise ausstellen und verteilen. So weit ist
alles klar.« Herr Biedersteiner schaute stolz in die Runde – mit Recht.
Die beiden turtelten sich noch etwas an, und ich stellte fest, dass
ich hier ziemlich überflüssig war. Ich machte mich wohl besser auf den Heimweg.
Da hörte ich von Ferne tiefes Grollen, das schnell unheilvoll
anschwoll. Das Röhren von mehreren schweren Motorrädern, die sich ihren Weg
über Wurzeln und Geäst in unsere Richtung bahnten! Hektisch rief ich nach Runa,
die aufgeregt bellte. Hasso wurde ebenfalls geschwind an die kurze Leine
gelegt. Kaum hatten wir die Hunde in Sicherheit gebracht und uns an die Seite
des Waldweges gedrückt, da schlingerten sie mit ihren Motocross-Maschinen auch
schon heran. Wenig später brach die Krachlawine über uns herein. Schwarze Helme
ohne Visier, dunkle Lederklamotten. Sechs an der Zahl. Männer wie Motorräder
von oben bis unten schlammverspritzt. Mit einem alles betäubenden Lärm dröhnten
sie knapp an uns vorbei. Ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten, aber
ich hatte keine Hand frei. Runa gebärdete sich wie wild. Ich kämpfte schwer,
sie aus der Gefahrenzone herauszuhalten.
Dieser Einbruch in unsere sonntägliche Waldidylle war genauso
schnell wieder vorüber, wie er gekommen war, und ließ uns aufgeregt zurück. Wir
redeten alle durcheinander.
Bernhard hakte Hasso von der Leine: »Was war denn das? Jetzt ist man
sogar im Wald vor denen nicht mehr sicher!«
Ich schaute von einem zum anderen: »Kanntet ihr da jemanden?«
Heidemarie fuchtelte mit ihren Walking-Stöcken hinter den Männern
her: »Tagediebe! Rumtreiber! Euch sollte man alle einen Kopf kürzer machen!«
Wütend stieß sie die Metallspitzen in den Waldboden. »Leben auf Kosten der
Gesellschaft und verprassen unsere Steuergelder! Früher wäre das nicht
passiert!«
Bernhard und ich schauten Heidemarie fassungslos an. Oho! So einen
Ausbruch hätte ich von ihr am allerwenigsten erwartet.
»Ich glaube, einer war der Leitner Sepp.« Zögernd sprach ich weiter.
»Ein junger Bauer hier aus der Gegend. Der arbeitet eigentlich ziemlich hart.«
Bernhard versuchte auch, die Wogen wieder zu glätten. »Das war
sicherlich verboten und rücksichtslos, was diese Typen da gemacht haben. Aber
leben würde ich sie jetzt schon noch lassen.«
Heidemarie bemerkte, dass sie sich danebenbenommen hatte. Sie zupfte
ihre lieblichen Löckchen zurecht und bemühte sich um einen naiven
Augenaufschlag. »Da ist mein Temperament mit mir durchgegangen. Ich bitte um
Entschuldigung. Das dürft ihr nicht so ernst nehmen.« Sie lächelte uns an.
Bernhard schien nicht nachtragend zu sein. Er griff das nächstbeste
Gesprächsthema auf, und bald schon plauderten sie genauso harmonisch
miteinander wie zuvor. Ich konnte nicht so schnell umschalten. Verhalten
verabschiedete ich mich und sagte, ich müsste zum Frühstück nach Hause. Auf dem
Rückweg grübelte ich über die Frage, wie diese Reaktion von Heidemarie zu ihren
vielen sozialen Diensten passte. Für sie passte es offensichtlich.
Elf Uhr
Das sonntägliche Mittagessen im Heim. Irgendwann hatten wir
eingeführt, das Sonntagsmahl bei meinen Eltern im Altenheim zu uns zu nehmen.
Das fand ich sehr praktisch, so musste ich nichts kochen, und das Essen war
gut. Die Küche war im ganzen Umkreis als
Weitere Kostenlose Bücher