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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sah sie ihm an.
    Hinter ihr begann die Kaffeemaschine zu blubbern und rettete sie.
Hastig stand sie auf, ging in die Küche und gewann eine wertvolle Minute damit,
zwei halbwegs saubere Tassen auf ein Tablett zu stellen und mit dampfend heißem
Kaffee zu füllen. Auch wenn Trausch nichts sagte, konnte sie seine Verärgerung
doch spüren, ebenso wie seine bohrenden Blicke, obwohl sie ihm den Rücken
zuwandte. Er rührte weiter keinen Finger, um ihr zu helfen, nicht einmal, als
sie ungeschickt und lautstark klappernd mit dem Tablett in der linken Hand zum
Tisch zurückbalancierte. Und er schwieg auch weiter und sagte nicht einmal
etwas, als sie die Tassen umständlich ablud und das leere Tablett noch
umständlicher und langsamer in die Küche zurücktrug; obwohl ihm klar sein
musste, dass sie das nur tat, um Zeit zu gewinnen. Conny fühlte sich plötzlich
furchtbar hilflos, und etwas wie eine stille Panik begann sich in ihr
breitzumachen. Ganz plötzlich wusste sie, wie sich die zahllosen Männer und
Frauen gefühlt hatten, denen sie im Laufe ihres Berufslebens auf der anderen
Seite des Verhörtisches gegenübergesessen hatte. Und ebenso plötzlich wurde ihr
auch klar, warum vermeintlich intelligente Männer und Frauen (von denen nicht
wenige deutlich intelligenter und gebildeter gewesen waren als sie und ihr
rhetorisch um Lichtjahre überlegen) sich manchmal so unbeschreiblich dumm und
tollpatschig verhielten, dass es schon fast lächerlich war.
    Sie setzte sich, forderte ihn mit einem entsprechenden Blick auf,
ebenfalls Platz zu nehmen, und registrierte mit einem völlig sinnlosen, aber
heftigen Gefühl von Unbehagen, dass er sich (zwangsläufig, es gab nur noch
diesen freien Platz) auf denselben Stuhl setzte, auf dem Vlad vorhin gesessen
hatte. Sie gewann noch einmal Zeit, indem sie einen Schluck von ihrem Kaffee
trank, der so heiß war, dass sie sich beinahe die Zunge daran verbrüht hätte.
Dann räusperte sie sich umständlich, brachte irgendwie das Kunststück fertig,
seinem Blick standzuhalten, und sagte, so ruhig und mit so fester Stimme, wie
sie es gerade noch konnte. »Ich weiß nicht, wie dieses Bild hierherkommt. Als
ich es das letzte Mal gesehen habe, lag es im Wagen neben dem Drucker.«
    Â»Aber es ist hier«, antwortete Trausch ruhig. Conny versuchte
vergebens, so etwas wie einen sanften oder wenigstens verständnisvollen
Unterton in seiner Stimme zu hören. Die Analogie ging noch weiter, dachte sie.
Jetzt wurde sie verhört.
    Â»Ja, das ist es«, räumte sie ein. »Ich hätte mir gerne eine
überzeugendere Geschichte für Sie ausgedacht, aber ich würde Sie niemals
belügen, das wissen Sie. Außerdem weiß ich, wie gut Sie in Verhörtechniken
sind. Sie müssen schon mit der Wahrheit vorliebnehmen, so leid es mir tut.«
    Trausch sah sie eine Sekunde lang durchdringend an, streckte die
Hand nach seiner Tasse aus, verzichtete aber darauf, zu trinken, als er spürte,
wie heiß sie war. »Wenn Sie dieses Bild nicht eingesteckt haben und auch keiner
von uns«, fragte er, »wie kommt es dann hierher?«
    Â»Stellen Sie sich vor, das weiß ich genauso wenig wie …«, begann sie
aufgebracht, biss sich dann auf die Unterlippe und verbrühte sich endgültig die
Zunge, als sie einen weiteren, noch größeren Schluck Kaffee trank. Das musste
wohl selbst für ihn so etwas wie ein neuer Rekord sein, dachte sie, wütend auf
sich selbst. Sie war mehr als einmal Zeugin geworden, wie es Trausch gelang,
einen vermeintlich hartgesottenen Gegner so weit in die Enge zu treiben, dass
er die Beherrschung verlor … aber niemals innerhalb weniger Sekunden.
    Erstaunlicherweise verzichtete er darauf, sofort nachzuhaken,
sondern sah sie nur weiter durchdringend an, schüttelte schließlich den Kopf
und zog das Bild wieder aus der Tasche. Während er es scheinbar interessiert
musterte, sagte er: »Ich glaube Ihnen.«
    Â»So?«, fragte sie, noch immer in herausforderndem, beinahe
aggressivem Ton. »Und wie komme ich zu der Ehre?«
    Â»Erstens«, erwiderte Trausch ungerührt, »weil ich Ihnen glaube, dass
Sie mich nicht belügen würden. Jedenfalls nicht so plump. So dumm sind Sie
nicht, Conny. Und zweitens hätten Sie gar keine Gelegenheit gehabt, das Bild an
sich zu nehmen. Eichholz hat jeden Faden, den Sie am Leib getragen haben, ins
Labor bringen lassen.

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