Unheil
unheimlicher Besucher am Mittag
gesessen hatte.
»Nicht, dass ich mich nicht freuen würde, dass Sie mich besuchen«,
begann sie geradeheraus, »doch darf ich fragen, warum? Hat Eichholz Sie
geschickt?«
Trausch lächelte freudlos. »Allerdings. Er kocht immer noch vor Wut.
Ich wäre allerdings auch so gekommen.«
»Warum?«
»Erstens, weil ich es Ihnen versprochen habe. Und zweitens, weil â¦Â«
Statt weiterzusprechen und die Bewegung, mit der er sich zu ihr umdrehen
wollte, zu Ende zu führen, runzelte er plötzlich noch einmal die Stirn und
starrte etwas an, das neben dem Telefon lag. Mindestens zwei oder drei Sekunden
lang. Dann warf er ihr wieder einen sonderbaren, jetzt allerdings auch beinahe
erschrockenen Blick zu, streckte die Hand aus und hob etwas von der GröÃe und
den Proportionen einer Postkarte auf.
»Was ist das?«, fragte er, während er sich nun doch zu ihr umdrehte.
Conny antwortete nicht gleich. Sie konnte es gar nicht. Ihr Mund
fühlte sich plötzlich so trocken an, als wäre sie drei Tage ohne Wasser durch
die Wüste gelaufen. Ihr Herz schlug hart und langsam.
Trausch wartete zwei oder drei weitere Sekunden lang vergebens
darauf, eine Antwort zu bekommen, trat dann direkt unter die Lampe und hielt
den Videoprint ins Licht. Er betrachtete ihn mindestens zehn Sekunden lang
konzentriert, ohne ein einziges Wort zu sagen, aber Conny beobachtete, wie der
Ausdruck auf seinem Gesicht in dieser Zeit von Ãberraschung zu Verwirrung
wechselte, dann zu Schrecken und für einen kurzen Moment fast zu so etwas wie Zorn.
Endlich lieà er das Bild sinken und drehte sich ganz zu ihr um.
»Warum haben Sie das mitgenommen?«, fragte er.
»Das habe ich nicht«, antwortete sie ganz automatisch. Natürlich
wusste sie selbst, wie das klang. Trotzdem schüttelte sie den Kopf und sagte noch
einmal und jetzt mit fester Stimme: »Ich habe es nicht eingesteckt.« Und das
hatte sie auch nicht, verdammt noch mal! Und selbst, wenn sie es getan hätte â
was ganz bestimmt nicht der Fall war! â, hätte dieses
Bild trotzdem nicht hier sein dürfen. Die Kleider, die sie in der Tiefgarage
getragen hatte, befanden sich noch im Krankenhaus, wahrscheinlich aber bei der KTU , und sie musste nicht fragen, um zu wissen, dass ihre
Kollegen aus dem Labor sie bis auf die letzte Faser auseinandergenommen und
begutachtet hatten.
»Wie meinen Sie das, Sie haben es nicht eingesteckt?«, wiederholte
Trausch. Er wedelte beinahe anklagend mit dem kleinen Foto. »Das ist doch das
Bild, von dem Sie erzählt haben, oder?«
Conny nickte wortlos.
»Und wie kommt es hierher, wenn Sie es nicht mitgenommen haben?«
»Ich glaube, das â¦Â« Sie brach im letzten Augenblick ab und fuhr sich
nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. Um ein Haar hätte sie gesagt: Weil Vlad es mitgebracht hat. Aber sie konnte sich gerade
noch beherrschen, und nicht nur, weil sie sich lebhaft vorstellen konnte, wie
Trausch darauf reagieren würde.
»Ja?«, fragte er.
Conny schüttelte nur den Kopf und wich seinem Blick aus.
»Allmählich fange ich an, mir wirkliche Sorgen um Sie zu machen,
Conny«, seufzte er. Als er auch darauf keine Antwort bekam, schüttelte er noch
einmal den Kopf, betrachtete das Bild eine weitere Sekunde lang stirnrunzelnd
und sehr nachdenklich und steckte es schlieÃlich ein.
»Jetzt hören Sie mir mal zu«, setzte er neu und in vollkommen
verändertem Ton an. »Sie haben mich gerade gefragt, ob Eichholz mich geschickt
hat, und ich habe ja gesagt. Aber das war gelogen. Er hat mir ganz im Gegenteil
verboten, herzukommen.«
»Warum haben Sie es dann trotzdem getan?«
»Weil ich mir Sorgen um Sie mache«, antwortete er. »Ich bin nicht
als Ihr Kollege hier, und schon gar nicht als Eichholzâ Spitzel, sondern als Ihr ⦠Freund.
Wenn Sie mir etwas sagen wollen, dann sollten Sie es tun. Ich verspreche Ihnen,
dass Eichholz nichts davon erfährt, wenn Sie es nicht wollen. Und auch sonst
niemand.«
Conny fragte sich vergebens, warum sie eigentlich nicht nach der
ausgestreckten Hand griff, die er ihr so deutlich hinhielt. Vielleicht war die
Antwort ganz simpel: Weil schlicht und einfach alles, was sie hätte sagen
können, entweder verrückt oder nach einer dummen Ausrede geklungen hätte; oder
nach beidem. Aber er würde auf einer Antwort bestehen, das
Weitere Kostenlose Bücher