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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wieder verschwinden konnte. Ihre Vernunft sagte ihr, dass das
lächerlich war. Es gab keine Gespenster, so wenig wie Vampire (und flüchtende
Serienkiller, die kopfunter an Hauswänden hinabkletterten), aber alles in ihr
sträubte sich auch noch immer dagegen, ihre unheimliche Begegnung als bloßes
Hirngespinst abzutun. Der Kerl hatte einfach ein paar besonders gute Tricks
drauf, das war alles.
    Und warum hatte sie Eichholz und Trausch dann
immer noch nicht alles von ihm erzählt?
    Es klopfte an der Tür. Das Geräusch war so ungewöhnlich und schien
so wenig zu diesem besonderen Moment zu passen, dass Conny es überhaupt erst
identifizierte, als es zum zweiten Mal erklang, und auch dann noch einmal
geschlagene zehn Sekunden lang in Richtung der Küchentür starrte, bevor sie
aufstand und in die Diele ging.
    Das Klopfen ertönte zum dritten Mal, diesmal hörbar ungeduldiger.
Conny streckte die Hand nach der Türklinke aus, erinnerte sich im letzten
Augenblick an etwas und knotete hastig den Gürtel ihres Bademantels zu, bevor
sie die Klinke endgültig herunterdrückte – um sofort zurückzuprallen und die
Faust anzustarren, die vermeintlich nach ihrem Gesicht schlagen wollte, dann
aber im letzten Moment wieder zurückschnellte.
    Â»Oh«, murmelte Trausch verlegen, während er einen Schritt zurückwich
und eine halbe Sekunde lang seine eigene Hand anstarrte, die er gerade gehoben
hatte, um zum vierten Mal an die Tür zu klopfen. »Das … tut mir leid. Ich wollte
Sie nicht erschrecken.«
    Â»Das haben Sie nicht«, antwortete Conny – was eine glatte Lüge war.
Ihr Herz raste wie verrückt. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie felsenfest
davon überzeugt gewesen, Aisler gegenüberzustehen, der gekommen war, um sich
für seinen Tod zu rächen.
    Â»Irgendwas nicht in Ordnung?«, fragte Trausch dann auch prompt und
auch ein bisschen schuldbewusst. »Sie sind weiß wie die Wand.«
    Â»Ich habe geschlafen«, murmelte sie. »Möchten Sie … reinkommen?«
    Â»Das hatte ich eigentlich vor«, antwortete er. »Sonst wäre ich nicht
hier, oder?«
    Conny gab hastig den Weg frei, und Trausch trat ein, sah sich
stirnrunzelnd um und schien auf irgendetwas zu warten. Schließlich deutete er
ein Achselzucken an und tastete über die Wand, bis er den Lichtschalter
gefunden hatte.
    Â»Ich … ziehe mir nur rasch etwas an«, sagte Conny verlegen. »Eine
Minute.«
    Sie eilte zum Schrank, riss nahezu wahllos ein paar Sachen heraus
und verschwand im Bad, um sich anzuziehen.
    Trausch stand noch immer an derselben Stelle, als sie zurückkam, und
sah sich stirnrunzelnd um, fast als wäre er noch nie hier gewesen. Wenn ihm ihr
Aufzug missfiel – ein lose fallender Rock, Birkenstock-Sandalen und ein
ausgeleierter Strickpullover, der ihr schon um zwei Nummern zu groß gewesen
war, als sie ihn geschenkt bekommen hatte –, dann ließ er es sich nicht
anmerken, aber er sah irgendwie auch nicht besonders fröhlich aus.
    Â»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee?« Das war ohnehin das
Einzige, was sie im Haus hatte.
    Â»Ein Kaffee wäre prima. Wenn Sie mir zeigen, wo alles ist, dann
erledige ich das für Sie.«
    Â»Ich habe eine verstauchte Hand, Kollege«, erwiderte sie schärfer,
als sie beabsichtigt hatte, »ich bin nicht schwerbehindert.«
    Sie bedauerte die Worte schon, bevor sie sie ganz ausgesprochen
hatte; nicht nur, weil sie unnötig grob waren, sondern weil er so ganz nebenbei
sie Wahrheit gesagt hatte. Mit nur einem Arm – und noch dazu dem linken –
erwies sich selbst etwas so Simples wie das Befüllen der Kaffeemaschine als
unerwartet schwierig. Schon nach ein paar Augenblicken wartete sie insgeheim
darauf, dass er ihr noch einmal seine Hilfe anbot … aber das tat er
selbstverständlich nicht, sondern sah stattdessen mit einer Mischung aus
Missbilligung und unverhohlener Schadenfreude zu, wie sie sich abmühte.
Irgendetwas lag ihm darüber hinaus auf der Seele, das spürte sie.
    Während sie darauf warteten, dass der Kaffee durchlief, bot sie
Trausch mit einer wortlosen Geste einen Platz an. Er ignorierte es und sah sich
weiter neugierig um. Schließlich gab sie auf und setzte sich an den kleinen
Tisch unter der Durchreiche, wobei sie ganz instinktiv den Platz wählte, der am
weitesten von dem entfernt war, auf dem ihr

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