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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wir hätten es gefunden, wenn Sie es bei sich gehabt
hätten.« Er drehte das Bild noch einen Moment in den Fingern, deutete ein
Schulterzucken an und ließ es wieder in der Jackentasche verschwinden. »Aber
wenn Sie die Wahrheit sagen, dann stellt sich die Frage, wie es hierherkommt.
Wenn es wirklich dasselbe Foto ist, heißt das.«
    Es war dasselbe Foto, daran gab es nicht den geringsten Zweifel, und
auch die Frage, die er zuerst gestellt hatte, hätte sie eben problemlos
beantworten können: Vlad hatte es aus dem Wagen geholt und mitgebracht. Aber
Vlad existierte nicht. Vlad – dieser Vlad – war
nichts weiter als eine Illusion, ein Trugbild, mit dem ihre eigene Phantasie
sie quälte, weil sie ja sonst keine Probleme hatte.
    Dann fiel ihr etwas ein.
    Wortlos stand sie auf, eilte in die Diele und grub ihren
Schlüsselbund aus der Jackentasche.
    Sie konnte selbst spüren, wie ihr auch noch das allerletzte bisschen
Farbe aus dem Gesicht wich, als sie ihren Wohnungsschlüssel sah.
    Er war so krumm gebogen wie ein Fragezeichen.
    Â»Stimmt etwas nicht?«, fragte Trausch, als sie zurückkam. Der
Schlüsselbund lag noch immer auf ihrer ausgestreckten linken Hand, und er
runzelte fragend die Stirn, als er den verbogenen Schlüssel erblickte. Dann
streckte er vorsichtig beide Hände aus, ergriff die Kaffeetasse mit spitzen
Fingern und nippte daran, um dann eine Grimasse zu ziehen.
    Â»Darf ich Ihnen eine … Frage stellen?«, murmelte Conny. »Ich meine,
ohne dass Sie mich für verrückt halten?«
    Â»Wer sagt denn, dass ich das nicht schon lange tue?«, gab Trausch
zurück. Er lächelte, doch seine Augen blieben dabei ernst, und jetzt war sie
sicher, so etwas wie echte Sorge darin zu erkennen.
    Â»Glauben Sie an Gespenster?«, fragte Conny.
    Â»Gespenster?« Trausch schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Aber ich
glaube etwas anderes, nämlich, dass das hier der mit Abstand widerwärtigste
Kaffee ist, den ich jemals getrunken habe.« Er deutete auf die Tasse, stand auf
und streifte den verbogenen Wohnungsschlüssel in ihrer Hand noch einmal mit
einem raschen, irritierten Blick. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Conny: Ich
lade Sie heute Abend zum Essen ein, und wir unterhalten uns dabei in Ruhe.
Nicht als Polizisten oder Kollegen, sondern einfach nur so. Einverstanden?«
    Conny war überrascht, aber sie nickte trotzdem. Sofort. Und es
kostete sie einige Mühe, dabei nicht zu freudig überrascht auszusehen. »Gut«, sagte Trausch. »Dann hole ich Sie um acht ab.
Vorausgesetzt«, fügte er hinzu, »Sie ziehen sich etwas an, bei dessen Anblick
wir nicht auf der Stelle verhaftet werden.«
    Das Lokal war klein, schrecklich verräuchert und lag
dreißig ebenso steile wie ausgetretene Steinstufen unter der Erde, die man nur
erreichte, nachdem man sich durch eine unauffällige Tür gequetscht hatte, die
nicht den geringsten Hinweis darauf erkennen ließ, was sich dahinter verbarg;
so wenig wie das Haus, in dessen Keller die sonderbare Mischung aus Bar und
Speiserestaurant lag. Leise Pianomusik, die nach billigen Lautsprechern klang
und von dem typischen Vinylknistern echter Schallplatten untermalt wurde,
vermischte sich mit dem an- und abschwellenden Raunen der vielleicht dreißig
Gäste, die sich außer ihnen hier unten aufhielten, und die Luft war trotz der
emsig summenden Klimaanlage so schlecht, dass sie das Gefühl hatte,
ununterbrochen gegen einen leichten Hustenreiz ankämpfen zu müssen.
    Trausch kam von der Bar zurück, zwei schlanke Pilsgläser mit einer
appetitlichen weißen Schaumkrone in den Händen und eine in Plastik
eingeschweißte Speisekarte unter den linken Arm geklemmt. Conny wollte
aufstehen und ihm helfen, stieß aber mit ihrem bandagierten Arm prompt gegen
das Gewölbe der gemauerten Nische, in der der Tisch stand, und sank mit einem
Geräusch wie einem Schmerzenslaut zurück, obwohl es nicht wehgetan hatte.
Trausch machte ein mitfühlendes Gesicht, lud die beiden Biergläser geschickt
auf dem Tisch ab und ließ die Speisekarte unter dem Arm herausgleiten. Das
glatte Plastik schlitterte quer über die gesamte Tischplatte und fiel zu Boden.
Conny versuchte ganz instinktiv, danach zu greifen, und stieß zum zweiten Mal
gegen die Wand, und diesmal tat es weh.
    Â»Kein Problem«, sagte Trausch, während er sich hastig nach der
Kunststoffhülle

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