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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bückte. Als er sich aufrichtete, stieß er mit dem Hinterkopf so
wuchtig unter die Tischplatte, dass die beiden Biergläser zu hüpfen begannen
und weiße Schaumflocken in alle Richtungen spritzten. Conny fragte sich, ob er
das mit Absicht tat, um sie aufzuheitern.
    Â»Ein interessanter Laden«, sagte sie, nachdem er sich gesetzt hatte
und ihr mit der einen Hand die Speisekarte über den Tisch schob; mit der
anderen massierte er seinen Hinterkopf. »Den kenne ich gar nicht. So eine Art
Geheimtipp?«
    Immerhin waren sie durch die halbe Stadt gefahren, um herzukommen;
in ein Lokal, das sich zumindest von außen alle Mühe gab, keine Gäste anzulocken. Und das waren längst nicht alle Seltsamkeiten. Zumindest die
Gäste waren … eigenartig. Es war nicht die übliche, nur auf den ersten Blick
bunte Mischung, die sich dann spätestens auf den zweiten Blick doch als
irgendwie uniform erwies, wie sich in eigentlich jedem Lokal, das sie kannte,
doch eine bestimmte Art von Publikum herauskristallisierte. Hier sah sie
irgendwie … von allem etwas. An der Bar saßen zwei ältere Vertretertypen in
billigen Anzügen und unterhielten sich leise. An einem Tisch ganz am Ende des
unverputzten Kellergewölbes entdeckte sie drei junge Burschen in Lederjacken,
die sie sich eigentlich besser auf einer Harley-Davidson vorstellen konnte, und
gleich neben ihnen saß ein nicht mehr ganz junges Paar und turtelte verliebt
über seine Teller hinweg. Daneben wiederum saß an einem langen Tisch so etwas
wie die Betriebsversammlung der nächstgelegenen Raiffeisenbank, und in einer
abgelegenen Ecke hockte ein abenteuerlicher Typ mit Lederjacke, Stachelhalsband
und einer mindestens genauso stacheligen Frisur, die wahrscheinlich zu neunzig
Prozent aus Haargel bestand … es war tatsächlich eine bunte Mischung, die
eigentlich nur eines gemeinsam hatte.
    Es fiel Conny im gleichen Augenblick auf, in dem Trausch in die
Jackentasche griff und einen zerschrammten Blechaschenbecher herausholte.
»Ta-ta!«, sagte er triumphierend. »Extra für Sie besorgt!«
    Â»Zusammen mit einer Ausnahmegenehmigung, weil der Laden unter
Polizeischutz steht?«
    Â»Der Laden steht unter niemandes Schutz, weil es streng genommen
kein Laden ist«, antwortete Trausch und wischte endlich das alberne Grinsen aus
seinem Gesicht. »Genau genommen ist es gar kein öffentliches Lokal, sondern ein
Privatclub.«
    Â»Ein Club?«
    Â»Ich habe meinen Euro Beitrag bezahlt und bin jetzt lebenslang Mitglied«,
antwortete er, »und selbstverständlich steht in den Statuten, dass ich einen
Gast mitbringen darf. Juristisch gesehen ist das hier eine private
Veranstaltung. Sie dürfen also qualmen, was das Zeug hält … aber beeilen Sie
sich, bevor jemand dem Trick gerichtlich einen Riegel vorschiebt. Die ersten
Prozesse laufen schon, so viel ich weiß.« Er wedelte aufgeräumt mit der
Speisekarte. »Das Essen ist nicht so gut wie im Steigenberger ,
und es gibt nur vier Gerichte, aber für eine Privatparty ist das gar nicht
schlecht, finde ich.«
    Conny blickte unschlüssig abwechselnd den Aschenbecher und die
aufgeschlagene Speisekarte, dann wieder ihn an.
    Â»Wenn Sie keine Zigaretten dabeihaben, hole ich Ihnen welche«, bot
er an. »Der Barkeeper verkauft sie auch einzeln. Für fünfzig Cent das Stück.«
    Tatsächlich hatte sie seit drei Tagen nicht mehr geraucht, und
eigentlich hätte sie von sich selbst erwartet, spätestens jetzt auf Händen und
Knien zur Bar zu robben und den Kerl dahinter um ein Nikotinstäbchen anzuflehen – sie verspürte jedoch nicht den geringsten Appetit auf eine Zigarette. Mit
einem Gefühl, das irgendwo zwischen Erstaunen und Schaudern angesiedelt war,
wurde ihr klar, dass sie während der letzten drei Tage nicht einmal ans Rauchen gedacht hatte.
    Â»Vielleicht später«, murmelte sie. »Im Moment … ist mir nicht danach.«
    Â»Ihnen ist nicht danach?« Trausch zog ungläubig die rechte
Augenbraue hoch. »Ich dachte, ihr zweiter Vorname wäre Marlboro.«
    Â»West«, korrigierte ihn Conny, die immer noch ein wenig über sich
selbst staunte. »Wer weiß … vielleicht gebe ich es auch auf. In den letzten drei
Tagen durfte ich sowieso nicht rauchen. Den schwersten Teil habe ich also schon
hinter mir. Ich sollte es wenigstens versuchen, meinen Sie nicht? Auch wenn

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