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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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keuchend nach Atem und registrierte dann mit einem Gefühl
von kaltem Entsetzen, dass die Wohnungstür nur angelehnt war. Natürlich musste
das nichts bedeuten. Sylvia war in dieser Hinsicht immer schon ein bisschen
schlampig gewesen und hatte stets behauptet, dass dies schließlich ein anständiges Haus wäre, in dem man seine Wohnungstür getrost
offen stehen lassen konnte, und es auch oft genug getan und ihre ständigen
Ermahnungen, ein bisschen vorsichtiger zu sein, auf ihren Beruf und die damit
(ihrer Meinung nach) zwangsläufig verbundene Paranoia geschoben. Vielleicht
hatte sie schlicht und einfach vergessen, die Tür hinter ihr wieder zu
schließen, oder sie sogar absichtlich offen gelassen, um zu lauschen und sich
zu überzeugen, dass sie auch tatsächlich ging.
    Aber irgendetwas sagte ihr, dass es nicht so war.
    Conny schüttelte beinahe schon entsetzt den Kopf, als sie sah, wie
Trausch die Hand ausstreckte, um die Tür aufzuschieben. Mit einer hektischen,
lautlosen Geste und einem mahnenden Blick bedeutete sie ihm, es bleiben zu
lassen, trat rasch und so leise sie konnte selbst an die Tür heran und lauschte
mit angehaltenem Atem. Aus der Wohnung drangen gedämpfte Geräusche, die sie
nicht identifizieren konnte. Ein leises Rumoren und – vielleicht – ein Poltern,
möglicherweise eine Stimme, die ebenso gut auch aus dem Radio kommen konnte,
ein leises Klirren; vielleicht das Geräusch, mit dem ein Flaschenhals an ein
Glas stieß. Ihr Herz hämmerte plötzlich so laut, dass es jedes andere Geräusch
zu übertönen schien.
    Trausch warf ihr einen fragenden Blick zu, und Conny bedeutete ihm
auf die gleiche Weise, zurückzubleiben, legte die rechte Hand auf die Klinke
und die Handfläche der anderen gegen die Tür und drückte sie buchstäblich
millimeterweise nach innen, während sie mit klopfendem Herzen darauf wartete,
dass die Angeln mit ihrem verräterischen Kreischen begannen. Das Wunder
geschah. Die Tür gab nicht das mindeste Geräusch von sich, während sie sie
unendlich behutsam aufdrückte, doch als der Spalt breit genug war, um
hindurchzuschlüpfen, legte ihr Trausch die Hand auf die Schulter und zog sie
mit sanfter Gewalt zurück. Er schüttelte den Kopf, machte eine nun eindeutig
befehlende Geste und zog mit der Linken sein Handy aus der Jackentasche, um es
ihr zu reichen.
    Selbstverständlich hatte er recht. Sie war nicht bewaffnet, hatte
alles andere als einen kühlen Kopf und war nicht einmal wirklich im Dienst,
aber wenn er erwartete, dass sie jetzt gehorsam zurückblieb und draußen auf dem
Flur wartete, nur um im Notfall Verstärkung zu rufen und darüber hinaus zu
hoffen, dass schon alles in Ordnung war, dann täuschte er sich.
    Conny wartete gerade lange genug, bis er durch die Tür geschlüpft
war, ohne dass zumindest unmittelbar darauf ein Schuss fiel oder ein Schrei
erklang, dann folgte sie ihm auf die gleiche Weise. Den wütenden Blick, den er
ihr zuwarf, konnte sie zwar nicht sehen, aber mit schon fast körperlicher
Intensität spüren. Dennoch war er Profi genug, sie nicht noch einmal
zurückscheuchen zu wollen oder gar ein verräterisches Geräusch zu verursachen.
    Etwas hatte sich in den wenigen Minuten verändert, seit sie gegangen
war, aber es dauerte noch eine Weile, bis ihr der Unterschied wirklich klar
wurde: Es war noch dunkler geworden. Conny nahm rasch die Sonnenbrille ab, ohne
dass es viel besser wurde. Selbst Trausch, der direkt neben ihr stand, war kaum
mehr als ein formloser Schatten, den sie nur durch das Geräusch seiner Atemzüge
als etwas Lebendiges identifizierte. Seltsamerweise konnte sie es fast
unnatürlich klar hören, obwohl sie zugleich spürte, dass er sich alle Mühe gab,
möglichst flach zu atmen.
    Da sie sowieso kaum etwas sehen konnte, schloss sie die Augen und
lauschte konzentriert. Die Geräusche, die sie draußen auf dem Flur wahrgenommen
hatte, waren jetzt deutlicher: Die Stimmen kamen tatsächlich aus dem Radio, das
vorhin noch nicht eingeschaltet gewesen war, aber da waren noch andere Laute,
die sie mit schon fast gespenstischer Klarheit hörte, obwohl die Zwischentür
zum Wohnzimmer jetzt geschlossen war. Jemand schien mit schnellen, aber sehr
unruhigen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen, und sie hörte ein beständiges
Rumoren und Hantieren und Räumen, als wäre jemand dabei, das gesamte

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