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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schmerzerfüllten Keuchen und einem unterdrückten Fluch belohnt und
sah, wie der Schatten zwei oder drei Schritte weit zurücktaumelte und nach
irgendeinem Halt suchte, um nicht zu stürzen.
    Hinter ihr erscholl ein wütender Schrei, der fast unmittelbar in das
Geräusch eines verbissenen Kampfes überging. Sie achtete nicht darauf – Trausch
war ein kräftiger, durchtrainierter Mann, den so leicht niemand beeindrucken
konnte –, sondern sprang endgültig auf die Füße und ging nun ihrerseits zum
Angriff über; nicht, weil sie so mutig war oder sich tatsächlich eine Chance
ausgerechnet hätte, sondern aus purer Verzweiflung. Sie konnte immer noch nicht
wirklich viel sehen, aber der Kerl hatte seine Entschlossenheit unter Beweis
gestellt, und sie hatte den tödlichen Stahl gespürt, mit dem er sie attackiert
hatte. Wenn sie ihm auch nur die Spur einer Chance ließ, abermals die
Initiative zu ergreifen, war sie verloren.
    Sie hatte nicht vor, etwas so Dummes zu tun. Stattdessen stürmte sie
geduckt auf den Schatten zu und rammte ihm die Schulter gegen die Brust, noch
bevor er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er keuchte noch einmal und
noch wütender, taumelte aber auch zurück und prallte mit einem dumpfen Laut
gegen die Wand unter der Dachschräge. Sein Kopf schlug so hart gegen einen
Balken, dass sie ein vernehmliches Knirschen zu hören glaubte, und aus dem
wütenden Grunzen wurde ein Wimmern.
    Conny spürte, wie er instinktiv trotzdem nach ihr zu schlagen
versuchte, duckte sich unter dem gemeinen Hieb weg und revanchierte sich, indem
sie das Knie hochriss und ihm mit aller Gewalt zwischen die Beine rammte.
    Sie traf nicht richtig, sondern erwischte nur die Innenseite seines
Oberschenkels. Immerhin schien ihm selbst das genug zu schaffen zu machen, um
ihn endgültig auszuschalten. Aus seinem Wimmern wurde etwas, das sich halb
erstickt und zufriedenstellend qualvoll anhörte, und er begann ganz langsam an
der Wand entlang zu Boden zu rutschen. Conny setzte dazu an, das Knie noch
einmal hochzureißen, um ihm den Rest zu geben, doch da hörte sie ein gedämpftes
Stöhnen neben sich, sah instinktiv hin, und das Blut schien in ihren Adern zu
gefrieren.
    Sylvia lag hinter der Couch lang ausgestreckt auf dem Boden. Selbst
im flackernden Licht der Kerzen konnte sie erkennen, dass ihr Gesicht und Hals
voller Blut waren.
    Conny vergaß ihren Gegner einfach. Mit einem einzigen Satz war sie
neben Sylvia, sank auf die Knie und streckte die Hände nach ihr aus, erstarrte
aber, als sie die schreckliche Wunde sah, die sich nahezu von einem Ohr zum
anderen über ihren Hals zog.
    Der Kerl hatte ihr die Kehle aufgeschlitzt.
    Nein, dachte sie. Nein, nicht Sylvia. Nicht sie! Alles wurde unwirklich. Ihre Haut schien plötzlich elektrisch geladen zu sein
und sich zusammenzuziehen, als versuche sie sie zu ersticken, und ihr Herz
setzte für zwei oder drei Schläge aus, um dann so hart und schnell weiterzuhämmern,
dass es wehtat. Nein. Nein. Nein. Nein. Nach allem, was ihr angetan worden war,
nicht auch noch das!
    Dann bewegte sich Sylvia, und Conny begriff, dass sie noch am Leben
war. Blut floss in Strömen aus ihrer durchschnittenen Kehle, tränkte ihre Bluse
und bildete einen immer größer werdenden, dampfenden Fleck unter ihrem Kopf und
ihren Schultern. Der Schnitt war tief genug, um sich wie ein Paar blutiger
roter Lippen zu öffnen und zu schließen, als sie sich zu bewegen versuchte.
Immerhin war sie noch am Leben und bei Bewusstsein. Ihre Augen waren weit
aufgerissen, aber ihr Blick war nicht leer. Ganz im Gegenteil spürte Conny, wie
verzweifelt sie ihr irgendetwas zu signalisieren versuchte, etwas zu sagen, was
ungeheuer wichtig war.
    Doch alles, was sie hervorbrachte, war ein schreckliches, nasses
Geräusch.
    Â»Nicht bewegen!«, sagte sie erschrocken. »Versuch nicht, zu reden!
Alles wird gut! Ich helfe dir!«
    Die Worte klangen selbst in ihren eigenen Ohren wie bitterer Hohn.
Niemand, keine Macht der Welt, konnte Sylvia helfen. Sie starb. Hier und jetzt.
Und sie wusste es.
    Etwas Neues erschien in ihren Blick. Plötzlich erlosch der Schmerz
darin und wurde von etwas abgelöst, das sich wie ein glühendes Messer tief in
Connys Seele grub und auch sie wie unter Schmerzen aufstöhnen ließ. Verzweifelt
beugte sie sich vor, bettete Sylvias Kopf und Schultern in ihren Schoß und
versuchte in einer

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