Unheil
andere vollkommen zugeschwollen.
Er taumelte. Schmerz oder Schwäche und wahrscheinlich beides zwangen ihn, sich
gegen den Türrahmen zu lehnen und einen Moment innezuhalten, aber noch war
irgendetwas in ihm, das ihm die Kraft gab, stehen zu bleiben; und sei es nur
der Wunsch, sie mitzunehmen.
Er würde in Erfüllung gehen.
Das also ist das Ende, dachte Conny, benommen und auf eine
bizarre Art zugleich von Entsetzen gelähmt wie beinahe belustigt. Zu ihrem
eigenen Erstaunen machte ihr der Gedanke immer noch keine Angst. Sie verspürte
allenfalls etwas wie eine sachte Enttäuschung und einen leisen Groll dem
Schicksal gegenüber. Sie hätte sich ihren Tod vielleicht nicht ganz so ⦠lächerlich gewünscht. Und noch seltsamer, vielleicht nur unerwartet: Sie spürte
den Tod nahen. Etwas wie eine körperlose Dunkelheit schien plötzlich hinter dem
jugendlichen Killer emporzuwachsen, und ein Gefühl tödlicher Kälte berührte
eisigen Spinnenbeinen gleich ihre Seele.
»Halt sie ⦠fest!«, wimmerte der Junge. »Ich will ihre ⦠Augen! Halt sie â¦Â«
Die Dunkelheit hinter ihm gewann an Substanz. Irgendetwas blitzte
auf, und aus seinen Worten wurde ein qualvolles, blubberndes Stöhnen, während
er den Kopf senkte und auf den handlangen, beidseitig geschliffenen Dorn aus
Stahl hinabsah, der plötzlich aus seiner Brust wuchs. Blut sprudelte aus seinem
Mund. Er lieà seinen Halt los, versuchte mit beiden Händen nach der Klinge zu
greifen und erstarrte. Die stählerne Zunge verschwand so lautlos wieder in
seinem Körper, wie sie daraus hervorgebrochen war, als er nach vorne kippte und
zusammenbrach.
»Nun ja«, sagte Vlad mit einem dünnen, humorlosen Lächeln, während
er die Klinge des Stockdegens wieder in ihre Hülle schob und dabei den
silbernen Knauf in Form eines Drachenkopfes mit aufmerksamen Blicken musterte,
wie um sich zu überzeugen, dass er auch nicht beschmutzt worden war, »jedenfalls
sieht er jetzt seinen Meister wieder. Ich hoffe, die
beiden haben Freude daran.«
Das Gefühl tödlicher Kälte in Connys Seele nahm noch einmal zu. Ihr
Verstand begriff nicht wirklich, was sie sah; vielleicht weigerte er sich auch
nur, es zu begreifen. Wahrscheinlich war es nicht wirklich. Wahrscheinlich,
dachte sie hysterisch, war sie bereits tot oder lag im Sterben, und dies war
eine der Visionen, von denen man sagte, dass man sie im allerletzten Moment
erlebte, weil es da irgendeinen uralten, geheimnisvollen Mechanismus des
Körpers gab, der einem den letzten Schritt â angeblich â erleichterte.
Wenn es eine Halluzination war, dann war sie nicht die Einzige, die
ihr erlag. Der junge Kerl, der sie gepackt hatte, verlor jedenfalls schlagartig
jedes Interesse an ihr und fuhr mit einer erschreckend schnellen Bewegung
herum. Falls er den Tod seines Kumpanen überhaupt zur Kenntnis genommen hatte,
so schien er ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. Er versetzte ihr â fast
beiläufig â noch einen StoÃ, der sie zum dritten Mal gegen das Gitter
schleuderte, duckte sich weg und trat Vlad in breitbeiniger Ringerpose
gegenüber. Die Stahlklaue an seiner Hand gab ein Geräusch wie die Rassel einer
Klapperschlange von sich, als er die Finger bewegte.
Vlad zeigte sich wenig beeindruckt. Das Lächeln blieb auf seinen
Lippen, wirkte aber jetzt noch eine Spur kälter. »Du solltest dir genau
überlegen, was du tust, mein Junge«, sagte er ruhig. »Ich habe keinen Streit mit
dir. Vielleicht solltest du besser verschwinden.«
»Wer bist du denn, Arschloch?«, zischte der Vampirjünger. »Was
mischst du dich überhaupt ein? Die Sache geht dich nichts an!«
»Ich fürchte, doch«, seufzte Vlad, während er mit einem übertrieben
ausladenden Schritt über den Toten hinwegtrat. »Geh. Das ist deine letzte
Chance.«
Natürlich ging der Junge nicht. Er duckte sich ganz im Gegenteil nur
noch ein bisschen tiefer, gab ein sonderbares, fast schon tierhaft wirkendes
Knurren von sich â und stürmte dann blitzartig vor!
Vlad zuckte nicht einmal mit den Wimpern oder versuchte, seine
altertümliche Waffe zu ziehen. Mit einer Bewegung, die fast zu schnell war, als
dass Connys Blick sie noch erfassen konnte, und doch auf sonderbare Weise
gelassen wirkte, trat er zur Seite, lieà den Jungen an sich vorbeistürmen und
versetzte ihm einen Stoà zwischen die
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