Unheil
ruhten. Der Geruch nach frischem Blut
wurde so übermächtig, dass er ihr beinahe die Sinne zu rauben schien. Etwas
regte sich in ihr, das sie nicht wollte und vor dem sie Angst hatte. Aber es
war stark, so unendlich viel stärker als sie, dass es ihren verzweifelten
Widerstand nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen schien und sie einfach
überwältigte. Sie â¦
»Laufen Sie ⦠weg«, stöhnte er. »â¦Â Hilfe â¦Â«
Seine geflüsterten Worte brachen den Bann, gerade, als sie spürte,
wie der kümmerliche Rest ihres eigenen freien Willens von der Springflut aus
klebriger Schwärze, die aus den Abgründen ihres Selbst emporstieg, hinweggefegt
zu werden drohte. Von einem Sekundenbruchteil auf den anderen erwachte sie aus
ihrem ganz persönlichen Albtraum, nur, um sich in einem anderen und vielleicht
schlimmeren wiederzufinden. Neben ihr wälzte sich der Kerl, den sie in Brand
gesetzt hatte, noch immer kreischend auf dem Boden. Er loderte jetzt wirklich
wie eine Flamme, und in den Gestank von schmelzendem Kunststoff hatte sich der
von verbranntem Fleisch und schmorenden Haaren gemischt. Hämmernde Schritte
näherten sich, und das Zimmer, das vor einem Augenblick noch dunkel wie eine
Gruft gewesen war, erstrahlte nun in fast unerträglich flackerndem gelbem und
rotem Licht, wie um sich endgültig in eine grässliche Vision der Hölle zu
verwandeln. Alles wurde unwirklich, so überdreht und hoffnungslos überzeichnet
wie eine Szene aus einem schlechten Horrorfilm, die einfach nicht die
Wirklichkeit sein konnte. Und trotzdem arbeitete ein Teil ihres Verstandes noch
immer mit fast erschreckender Präzision und Kälte. Sie begriff, dass ihr
weniger als eine Sekunde blieb, um eine Entscheidung zu treffen. Doch wie konnte
sie das? Trausch war hilflos. Er war schwer verletzt und offensichtlich gelähmt
vor Schock oder Schmerz, und er war viel zu schwer, als dass sie ihn tragen
oder auch nur nach drauÃen schleifen konnte, aber sie konnte ihn auch nicht
hier dem sicheren Tod überlassen.
Seine Waffe! Wo war seine Waffe?
Connys Blick tastete hektisch über den Boden, suchte die Richtung,
in die die Pistole â vielleicht â geflogen war, und das Wunder geschah: Sie
entdeckte sie kaum zwei Meter entfernt â genauso gut hätte sie allerdings auch
auf der anderen Seite der StraÃe liegen können oder auf einem anderen
Kontinent, denn Conny kam nicht einmal dazu, eine Bewegung in die entsprechende
Richtung zu machen. Eine riesige, von flackerndem gelbem und rotem Licht
endgültig in einen Dämon verwandelte Gestalt tauchte in der Tür dahinter auf,
fegte die Pistole mit einem FuÃtritt zur Seite und setzte noch aus der gleichen
Bewegung heraus dazu an, sich auf sie zu stürzen.
Conny reagierte, ohne zu denken. Blitzschnell warf sie sich zur Seite,
packte den FuÃ, der nach ihrem Gesicht gezielt hatte, mit beiden Händen und
verdrehte ihn mit einem kurzen, harten Ruck. Es gelang ihr nicht, den Kerl
endgültig aus dem Gleichgewicht zu bringen oder gar zu Boden zu werfen, doch
aus seinem ungestümen Angriff wurde ein fast albern aussehendes Hüpfen und
Armwedeln, mit dem er um seine Balance kämpfte, und mehr brauchte sie nicht.
Mit einem Satz war sie auf den FüÃen, versetzte ihm einen StoÃ, der ihn
endgültig zurückstolpern und auf die Knie fallen lieÃ, und war mit einem
zweiten, noch gröÃeren Schritt bei der Tür, noch bevor er begreifen konnte, was
geschah. Ein Teil von ihr schrie in lautloser Panik auf, als ihr klar wurde,
dass sie Trausch im Stich lieÃ, aber ein anderer, eine lautlos flüsternde
Stimme von erschreckender Kälte, machte ihr klar, dass alles, was sie im Moment
für ihn hätte tun können, gewesen wäre, an seiner Seite zu sterben.
Wie von Furien gehetzt raste sie durch den kurzen Flur, riss die
Wohnungstür auf und hoffte, dass sich der Killer entschied, seinem brennenden
Kameraden zu helfen, statt sie zu verfolgen oder seinen Zorn an Trausch
auszulassen.
Die Hoffnung wurde nicht erfüllt.
Noch während sie aus der Wohnungstür stolperte, erscholl hinter ihr
ein wütender Schrei, gefolgt von stampfenden, schweren Schritten, die
entsetzlich schnell näher kamen. Conny versuchte schneller zu laufen, kam aber
nur aus dem Tritt und prallte hart mit der Schulter gegen das geschlossene
Ziergitter der nutzlosen Liftkabine. Etwas Riesiges und durch
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