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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wahrscheinlich sturzbetrunken in
irgendeiner Ecke vorgefunden. Niemand war unsensibel genug, einen detaillierten
Bericht zu erwarten oder auch nur nach Einzelheiten zu fragen, aber Trausch und
sie waren dennoch beinahe eine halbe Stunde lang damit beschäftigt, unzählige
Fragen zu beantworten und immer neue Glückwünsche entgegenzunehmen und das
obligatorische Umarmen und Schulterklopfen über sich ergehen zu lassen; was vor
allem bei Trausch nicht unbedingt auf helle Begeisterung stieß, sondern ihm
ganz im Gegenteil mehr als einmal beinahe die Tränen in die Augen trieb.
Schließlich wurde es ihm zu bunt, und er zog kommentarlos die Schlinge aus der
Jackentasche, die ihm der Arzt im Krankenwagen mehr oder weniger aufgenötigt
hatte, hängte sie um und legte demonstrativ den Arm hinein. Denselben, von dem
er vorhin beharrlich behauptet hatte, er hätte nur eine harmlose Schramme. Immerhin hörten die anderen damit auf, begeistert auf
seine Schulter einzuschlagen.
    Was Conny vielleicht am meisten überraschte, das war die Ehrlichkeit
dieses Empfangs. Es war Eichholz in der ganzen Zeit nicht wirklich gelungen,
sie auszugrenzen, sosehr er sich auch angestrengt hatte, hatte sie es auch
umgekehrt niemals geschafft, sich vollkommen dazugehörig zu fühlen. Tatsächlich
hatte sie nie einer ihrer Kollegen geschnitten, ihr Schwierigkeiten bereitet
oder ihr Steine in den Weg gelegt, und dennoch hatte es da eine letzte,
unsichtbare Hürde gegeben, die sie niemals endgültig überwunden hatte; immerhin
stand sie ganz oben auf Eichholz’ Abschussliste, und vielleicht war es einfach
besser, nicht allzu offen mit ihr zu fraternisieren.
    Das hatte sich geändert. Vielleicht zum ersten Mal, seit die SOKO gegründet worden war, hatte sie das Gefühl,
tatsächlich dazuzugehören.
    Das Problem war nur, dass sie es tief in sich gar nicht wollte.
    Conny erschrak beinahe, als sie sich ihrer eigenen Gefühle bewusst
wurde. Während der ganzen beinahe zwei Monate, die sie jetzt dazugehörte, hatte
sie sich nichts mehr gewünscht, als von ihren Kollegen endlich vollkommen
akzeptiert und als gleichberechtigtes Mitglied eines Teams behandelt zu werden,
doch jetzt, als es so weit war, begann sie sich zu fragen, ob sie es eigentlich
wirklich so hatte haben wollen oder dieser vermeintliche Wunsch nicht in
Wahrheit reiner Trotz gewesen war, mit dem sie auf Eichholz’ unverhohlene
Feindseligkeit reagierte. Einer der wenigen Punkte, die Eichholz ihr zu Recht
vorgeworfen hatte, war ihr mangelnder Teamgeist. Sie war niemals eine gute
Teamspielerin gewesen und hatte es auch niemals sein wollen, sondern zog es
vor, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen und ihre eigenen Wege zu gehen; ein
Charakterzug, der ihrer Karriere schon mehr als einmal im Wege gestanden und
sie vielleicht nur deshalb noch nicht zu Fall gebracht hatte, weil sie trotz
allem immer wieder überraschende Erfolge vorweisen konnte. Und wenn sie ehrlich
war, war es in diesem Fall kein bisschen anders. Nicht einmal in diesem Moment.
Sie genoss es, die ehrliche Freude auf den Gesichtern ihrer Kollegen zu sehen,
ihre Komplimente und Glückwünsche zu hören und vielleicht zum ersten Mal
wirklich wie eine Gleichberechtigte behandelt zu werden, doch je länger es
andauerte, desto unangenehmer wurde ihr die Situation.
    Wieder einmal war es Trausch, der zu spüren schien, wie es in ihr
aussah, und sie rettete, indem er schließlich den unverletzten Arm um ihre
Schulter legte und sie unter einem Vorwand hinaus und in sein Büro bugsierte.
Kaum hatte er die Tür hinter ihnen geschlossen, nahm er den Arm jedoch fast
schon hastig herunter und wirkte plötzlich ein bisschen verlegen.
    Â»Haben Sie es sich überlegt?«, begann er übergangslos.
    Conny wusste nicht einmal, wovon er sprach, und sah ihn nur fragend
an.
    Â»Eichholz«, erklärte Trausch, während er den Arm aus der Schlinge
nahm und mit zusammengebissenen Zähnen ein paarmal – sehr vorsichtig – bewegte.
»Wir sollten uns allmählich auf eine Geschichte einigen.«
    Conny antwortete nicht gleich. Vorhin, im Krankenwagen, war ihr sein
Angebot nicht nur überaus großzügig und verlockend vorgekommen, sondern auch
schlüssig, doch je länger sie darüber nachdachte, desto weniger verstand sie es
eigentlich. Sie unterstellte Trausch nur die allerbesten Absichten und
zweifelte keinen Sekundenbruchteil daran, dass er

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