Unheil
Blick
daraufgeworfen hatte. Er holte es â sehr ausgiebig â nach und sah dann erst sie
und dann noch länger Trausch an. »Stammt das von der Ãberwachungskamera in der
Pathologie?«
»Zehn Minuten, bevor der Rekorder abgeschaltet wurde«, bestätigte
Trausch. »Wir wissen noch nicht, wer das ist â aber ich werde gleich jemanden
hinschicken.«
»Tun Sie das«, sagte Eichholz, schüttelte dann den Kopf und
verbesserte sich: »Oder besser, fahren Sie selbst hin. Professor Levèvre
erwartet Sie bereits. Die Feuerwehr hat die beiden Leichen geborgen, und sie
werden gerade in die Pathologie gebracht. Vielleicht kann man Ihnen ja schon
irgendetwas sagen.«
»Sie sind tot«, antwortete Trausch. »So viel kann ich Ihnen zu
diesem Zeitpunkt auch schon sagen.«
Eichholz verzog für einen halben Atemzug das Gesicht, schluckte aber
alles herunter, was ihm dazu möglicherweise auf der Zunge lag. Was hätte er
auch sagen sollen?, dachte Conny. Einer der wenigen Punkte, in denen die
Wirklichkeit und das Bild davon, das die meisten Menschen aus Kriminalromanen
und -filmen hatten, tatsächlich übereinstimmten, war das Verhältnis zwischen
Leuten wie ihnen und den Gerichtsmedizinern: Männer wie Eichholz und Trausch
(und nur zu oft auch sie selbst) erwarteten immer sofort Ergebnisse, und die
Pathologen brauchten immer mehr Zeit. Wahrscheinlich würde es Tage dauern,
bevor sie wirklich verwertbare Ergebnisse bekamen.
»Fahren Sie trotzdem hin«, sagte er. »Ich habe allein auf dem Weg
hierher drei Anrufe aus dem Rathaus bekommen, und gerade hat mir meine
Sekretärin den Tag mit der Mitteilung versüÃt, dass der Innenminister mich
sprechen möchte. Wir brauchen Ergebnisse. Finden Sie irgendetwas heraus.« Er
bemühte sich um einen möglichst gewichtigen Gesichtsausdruck und drehte sich zu
Conny um, bevor Trausch antworten konnte. »Das war genug für einen Tag,
Kollegin. Fahren Sie nach Hause und ruhen Sie sich aus, wenn Sie schon nicht
zum Arzt gehen wollen. Sie müssen hier niemandem beweisen, wie tough Sie sind.«
»Mir geht es gut«, begann Conny. »Ich muss nichts â¦Â«
Eichholz unterbrach sie mit einer harschen Geste. »Das war kein
freundschaftlicher Rat, sondern eine Anordnung, Frau Feisst. Niemandem ist
damit gedient, wenn Sie schlappmachen. Soviel ich weiÃ, sind Sie noch bis Ende
der Woche krankgeschrieben, und ich erwarte, dass Sie diese Zeit nutzen und
sich erholen. Kollege Trausch wird Sie nach Hause fahren.« Er wandte sich
direkt an Trausch. »Ich verlasse mich auf Sie.«
Trausch reagierte gar nicht, sondern blickte ihn nur wortlos an, und
Eichholz hielt seinem Blick zwei oder drei Sekunden lang stand, dann gab er ihm
das Foto zurück und verlieà das Zimmer ebenso rasch, wie er gekommen war.
»Was war das denn für ein Auftritt?«, fragte Conny empört, während
sie sich Beistand heischend zu Trausch umdrehte. »Spielt mir mein Gedächtnis
einen Streich, oder wollte er mich noch heute Morgen am liebsten in
Handschellen herbringen lassen, um mit mir zu reden?«
»Das war heute Morgen«, antwortete Trausch.
»Aber er hat doch vorhin selbst gesagt â¦!«
»Er wollte Sie aus der Schusslinie haben, sonst nichts«, unterbrach
sie Trausch. »Was haben Sie denn gedacht?« Er lächelte humorlos, stand auf und
ging wieder zu seinem Spind. »Jetzt lassen Sie bloà den Kopf nicht hängen,
Conny. Spätestens seit dem, was vorhin passiert ist, kann er Ihnen gar nichts
mehr tun. Und wissen Sie, was das Schönste daran ist? Er weià das ganz genau.«
»Ich denke nicht daran, mich so einfach kaltstellen zu lassen!«
Conny stand auf und Trausch hielt inne, bevor er eine zerschlissene Windjacke
vom Bügel nahm und sich mit zweifelndem Gesichtsausdruck zu ihr umwandte.
»Halten Sie das für eine gute Idee?«
»Nein«, antwortete sie ehrlich. »Aber Sie glauben nicht wirklich,
dass ich nach Hause gehe und die Hände in den Schoà lege, während Sie die Kerle
allein zur Strecke bringen, oder? Für einen Tag haben Sie genug Ruhm
eingeheimst. Jetzt bin ich dran.«
Trausch blieb ernst. »Es ist nur ein Gesicht. Wahrscheinlich hat es
gar nichts zu bedeuten. Sie kennen doch Eichholz. Wenn er nicht weiterweiÃ,
verfällt er eben in blinden Aktionismus. Wenn Sie mich fragen, ist das bloÃe
Zeitverschwendung.«
Conny
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