Unheil
wollte es nicht, doch ihre Stimme wurde ganz ohne ihr Zutun
gleich um mehrere Nuancen schärfer, als sie antwortete. »Heben Sie sich diesen
Unsinn für die Presse auf oder meinetwegen für Eichholz, aber nicht für mich.
Darum geht es nicht! Ich lasse mich nicht abservieren. Auch nicht von
Eichholz!«
»Dann sollten Sie auch klug genug sein, ihm nicht auch noch einen
Grund dafür zu liefern«, erwiderte er ernst, aber Conny schüttelte nur noch
einmal und noch heftiger den Kopf.
»Ich komme mit.«
»So?« Trausch maà sie mit einem langen und demonstrativ
missbilligenden Blick von Kopf bis FuÃ. »Keine Chance. AuÃerdem sind Sie
momentan nicht einmal im Dienst. Ich darf Sie gar
nicht mitnehmen. Sie haben Eichholz gehört.« Er machte eine rasche und
eindeutig befehlende Handbewegung, als sie widersprechen wollte. »Sie sind
erschöpft und verletzt und krankgeschrieben, und â nehmen Sie es mir nicht
übel, aber â Sie sehen aus, als wären Sie gerade aus einem Müllcontainer
gekrochen. Ich fahre Sie jetzt nach Hause. Und machen Sie sich keine Sorgen.
Ich postiere einen Mann vor Ihrer Tür und einen Wagen unten vor dem Haus.«
»Aber â¦Â«, begann Conny, doch er wandte sich bereits wieder
demonstrativ um, nahm die Jacke endgültig vom Bügel und verzog flüchtig die
Lippen, als er mit dem linken Arm hineinschlüpfte. Sie sah aus, als hätte er
sie das letzte Mal getragen, als er ungefähr zwölf Jahre alt gewesen war.
Ãchzend schob er auch den anderen Arm hinein, zog den ReiÃverschluss bis zur
Mitte hoch und wandte sich dann mit einem Gesichtsausdruck zu ihr um, als
erwartete er jetzt tosenden Beifall für dieses Kunststück.
»Ich kann nicht einfach so nach Hause gehen und so tun, als ginge
mich das alles nichts an!«, protestierte Conny. »Verstehen Sie das denn nicht?«
»Doch«, antwortete er. »Aber Sie haben Eichholz gehört. Ich kann
nichts machen.« Er versuchte so etwas wie ein aufmunterndes Lächeln auf sein
Gesicht zu zaubern und griff nach ihrem Arm. »Kommen Sie, Conny. Ich bringe sie
jetzt nach Hause. Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn wir einen kleinen Umweg
über die Rechtsmedizin machen?«
Kapitel 12
Es war ein
sonderbares Gefühl, wieder hierherzukommen â obwohl seit ihrem letzten Besuch
in Levèvres kleinem Totenreich kaum ein Tag vergangen war, kam es ihr vor, als
wäre es endlos lange her; oder als wäre in der Zwischenzeit eine geheimnisvolle
Veränderung mit diesem Ort vonstatten gegangen, die zwar nicht sichtbar und
nicht einmal wirklich mit Worten zu beschreiben war, dafür aber umso deutlicher
zu spüren. Nichts hatte sich verändert. Die Farben an den Wänden waren noch
immer so geschmacklos wie zuvor, in der Luft lag noch immer derselbe
unangenehme Geruch und dieser ganze Ort kam ihr noch immer vor, als wäre man
irgendwie im falschen Jahrhundert gestrandet, sobald man ihn betrat. Und
dennoch war nun plötzlich alles ⦠anders. Als hätte sie irgendwo auf dem Weg
hier herunter die falsche Abzweigung genommen und einen Schritt in die Welt
hinter den Spiegeln getan, in der alles nur vertraut aussah, ohne es wirklich
zu sein.
Trausch trat neben ihr ungeduldig von einem Fuà auf den anderen und
sah zum ungefähr fünfzehnten Mal auf die Uhr, seit sie hereingekommen waren ⦠was
vielleicht zwei Minuten her war, auf gar keinen Fall mehr als drei. Dennoch
gebärdete er sich, als wären sie seit mindestens einer Stunde hier und warteten
auf Levèvre. Conny sah sich in ihrer Vermutung bestärkt, dass er nur gut darin
war, den Geduldigen zu spielen, ohne es in Wahrheit zu sein.
Endlich ging die Tür auf, und Levèvres Sekretärin kam herein. Sie
stockte und wirkte (nicht unbedingt angenehm) überrascht, sie zu erblicken,
fing sich aber auch augenblicklich wieder und setzte ein berufsmäÃiges Lächeln
auf.
»Kommissar ⦠Trausch, richtig?«, fragte sie. Conny begrüÃte sie nur
mit einem stummen Kopfnicken und leicht fragendem Blick.
»Richtig«, bestätigte Trausch. »Ich habe gerade angerufen.«
Die Sekretärin setzte die unterbrochene Bewegung fort, mit der sie
die Tür hinter sich hatte schlieÃen wollen, und schlüpfte in einer tausendfach
geübten Bewegung zwischen ihnen hindurch, um sich hinter ihren Schreibtisch zu
setzen. Sie antwortete erst, nachdem
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