Unheil
sie
aufzuhalten. Sie können von Glück sagen, dass Sie noch leben.«
»Ja, vermutlich. Ein bisschen Glück gehört zu jedem Job, nicht
wahr?« Trausch machte eine Handbewegung, mit der er Levèvre davon abhielt, mit
einer weiteren Plattitüde zu antworten. »Wenn wir schon einmal da sind: Haben
Sie noch irgendetwas über Aislers Verschwinden herausgefunden?«
Falls es überhaupt noch einen Rest von Freundlichkeit in Levèvres
Blick gegeben hatte, dann erlosch er schlagartig. »Wenn es so wäre, hätte ich
Ihnen Bescheid gegeben, Herr Kommissar«, antwortete er, kühl, und auch erst,
nachdem er Trausch mit einem langen und fast verächtlichen Blick von Kopf bis
Fuà gemustert hatte. »Wenn das jetzt alles wäre, würde ich mich gerne
entschuldigen«, fuhr er fort. »Ich habe noch eine Menge zu tun.«
Er ging, ohne sich auch nur zu verabschieden, und Trausch sah ihm
stirnrunzelnd nach. »Arschloch«, murmelte er â allerdings erst, nachdem Levèvre
hinter der Biegung des unterirdischen Ganges verschwunden und auch ganz
bestimmt auÃer Hörweite war. »Manchmal frage ich mich, wie jemand wie er in
eine solche Position kommt.«
»Vielleicht muss man so sein, um hier Karriere zu machen«, sinnierte
Conny, gab ihm keine Gelegenheit, darauf zu antworten, sondern ging rasch
weiter und drückte den Rufknopf des Lifts. »Kommen Sie â spielen wir
ausnahmsweise einmal wirklich die Freunde und Helfer und bringen diesem armen
Praktikanten seine Papiere.«
Denkert â Thomas Denkert, Physikstudent im dritten
Semester, bisher nicht vorbestraft und seit zwei Wochen wieder FuÃgänger, weil
er innerhalb der Probezeit die Null-Promille-Grenze um eine Winzigkeit
überschritten hatte, das hatte Trausch mit einem kurzen Anruf per Handy
herausgefunden â wohnte in einem heruntergekommenen Altbau in der Südstadt, in
dem es früher einmal sechs oder vielleicht acht groÃzügig geschnittene
Altbauwohnungen gegeben hatte und jetzt ungefähr die fünffache Anzahl
bewohnbarer Schuhkartons, von denen der Vermieter vermutlich behauptete, es
wären Studentenwohnungen. Für Conny war es allenfalls nicht artgerechte
Haltung, und wenn sie Trauschs Gesichtsausdruck richtig deutete, dann fielen
ihm wahrscheinlich noch eine ganze Menge andere und noch weitaus unfreundlichere
Bezeichnungen ein, spätestens in dem Moment, in dem sie das Gebäude betraten
und sich auf den Weg zu Denkerts Wohnung machten â die natürlich im
Dachgeschoss lag, ebenso natürlich, wie es keinen Aufzug gab. Eine sonderbare
Mischung aus â ausnahmslos unangenehmen â Gerüchen (von denen der eine oder
andere höchst illegal war) lag in der Luft, und die Treppe war zwar ebenso
schmal wie steil, dafür aber praktisch nicht beleuchtet. Die Birnen in den
meisten Lampen, unter denen sie vorbeikamen, waren nicht ausgefallen, sondern
herausgeschraubt und brannten jetzt vermutlich in irgendeinem anderen Raum des
Gebäudes. Hämmernde Musik dröhnte durch den Hausflur, und mindestens einmal
glaubte Conny auch, das Weinen eines Babys zu hören.
»Ein lauschiges Plätzchen, nicht wahr?«, fragte Trausch, während sie
die letzte, lautstark knarrende Treppe in Angriff nahmen. Er war leicht auÃer
Atem, was Conny einigermaÃen erstaunte. Normalerweise gehörten deutlich mehr
als vier Treppen dazu, um ihn zum Keuchen zu bringen.
Conny sparte sich den Atem, den sie eine Antwort gekostet hätte, und
belieà es bei einem angedeuteten Nicken, das Trausch wahrscheinlich nicht
einmal sah, und konzentrierte sich lieber darauf, nicht allzu weit hinter ihm
zurückzufallen; was allerdings allein von dem viel zu engen Rock vereitelt
wurde, den sie trug, denn selbstverständlich waren sie nicht sofort zum IfR
gefahren, sondern zuerst in ihre Wohnung, wo sie sich in aller Hast umgezogen
hatte, und Conny fragte sich nicht zum ersten Mal â vergeblich â, welcher
Teufel sie eigentlich geritten hatte, ausgerechnet das einzige Kostüm anzuziehen, das sie überhaupt besaÃ; möglicherweise
das weiblichste Kleidungsstück, das ihr Schrank
hergab, aber ganz bestimmt nicht das praktischste. Vor allem nicht, um damit im
Sprintertempo ungefähr fünfundzwanzigtausend Treppenstufen hinaufzustürmen.
Immerhin war Trausch rücksichtsvoll genug, um oben auf sie zu
warten. Vielleicht war er auch einfach nur
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