Unheil
cleverer als sie und nutzte die
kleine Pause, um wieder zu Atem zu kommen, dachte sie missmutig, während sie
sich das letzte Dutzend Stufen hinaufquälte und dabei versuchte, nicht allzu
sehr zu keuchen â schon aus purer Selbstverteidigung. Wenn sie die süÃlich
riechende Luft nur oben zu tief in die Lungen sog, dann war sie wahrscheinlich
high, bevor Trausch auch nur herausgefunden hatte, hinter welcher der beiden
Türen, die es hier oben gab, Denkert wohnte.
So oder so, er wartete, bis sie sich zu ihm gesellt hatte, und lieÃ
auch dann noch einmal ein paar Sekunden verstreichen, damit sie einigermaÃen zu
Atem kam. Erst dann hob er die Hand und klopfte an eine der Türen.
Wahrscheinlich wahllos; es gab weder ein Namensschild noch einen Klingelknopf.
Aus der Wohnung drang lautstarke Heavy-Metal-Musik, aber es dauerte
eine geraume Weile, bis eine Reaktion erfolgte. Trausch wollte schon die Hand
heben und ein zweites Mal und wahrscheinlich sehr viel ungeduldiger gegen die
Tür hämmern, als die Musik plötzlich leiser wurde. Weitere zehn oder fünfzehn
Sekunden später wurde die Tür geöffnet, und eine junge Frau blinzelte zu
Trausch hoch. Vielleicht auch ein Mädchen. Conny war nicht ganz sicher. Sie war
gute anderthalb Köpfe kleiner als Trausch, trug das Haar zu Dutzenden
kunterbunt gefärbter Zöpfe geflochten und ansonsten ⦠na ja, eigentlich nichts.
Oder jedenfalls fast nichts, falls man das
durchsichtige Etwas, das sie über ihre erstaunlich groà entwickelten Brüste und
ihren String-Tanga geworfen hatte, als Kleidungsstück bezeichnen wollte. Ihre
Augen waren verquollen und trüb, und das aufgedunsene Gesicht machte klar, dass
sie trotz der vorgerückten Stunde wohl gerade erst wach geworden war.
Vielleicht hatte Trauschs Klopfen sie geweckt.
»Ja?«
»Thomas Denkert«, erwiderte Trausch, ungewöhnlich kurz angebunden
und scharf. »Finden wir den hier?«
»Und wer will das wissen?«
Statt zu antworten â oder wenigstens seinen Dienstausweis zu zücken
und die Situation damit zumindest halbwegs legitim zu machen â, schob Trausch
sie einfach aus dem Weg und trat durch die Tür. Conny folgte ihm ganz
automatisch, aber mit wachsender Verwirrung. Vielleicht war das ja seine Weise,
mit der provozierenden Art dieses Empfangs umzugehen. Wenn ja, gefiel sie ihr.
»He!«, protestierte der Buntschopf. »Was �«
Trausch brachte sie mit einer fast beiläufigen Geste zum Schweigen,
drehte sich halb um seine Achse und sog hörbar die Luft durch die Nase ein.
»Also, ich kann mich täuschen«, sagte er, »aber für mich riecht es hier so, als
hätte jemand vor gar nicht allzu langer Zeit gegen das Betäubungsmittelgesetz
verstoÃen.«
»Und zwar heftig«, fügte Conny hinzu.
Diesmal vergingen zwei oder drei Sekunden, bevor die junge Frau
überhaupt zu begreifen schien, was er gerade gesagt hatte, aber dann konnte sie
geradezu sehen, wie das Verhältnis von Adrenalin und Blut in ihrem Kreislauf
umkippte. »Ihr seid Bullen«, stellte sie fest.
»Denkert«, sagte Trausch ruhig. »Ist er hier?«
Der Widerstand der jungen Frau hielt noch eine oder zwei Sekunden
lang trotzig an, doch dann konnte man regelrecht sehen, wie er zerbrach. Sie
sagte kein Wort, sondern drehte sich mit einer ruckhaften Bewegung um und ging
voraus. Conny fragte sich, ob sie dabei absichtlich so mit dem Hintern
wackelte.
Die Wohnung, so winzig sie auch war, bestand aus drei Zimmern, von
denen sie das letzte ansteuerte. Sie öffnete die Tür, ohne anzuklopfen, und das
Erste, was Conny auffiel, war, dass es nicht heller in dem zwielichtigen Flur
wurde. Wenn das Zimmer dahinter ein Fenster hatte, dann war es sorgfältig
verhängt.
Das Nächste, was ihr auffiel, als sie hinter Trausch durch die Tür
trat, war der Geruch. Er war unangenehm, aber vollkommen anders als der drauÃen
in der Wohnung oder gar im Hausflur. Statt nach kaltem Zigarettenrauch, schalem
Bier und Marihuana (gewürzt mit dem dezenten Hauch ausgiebig benutzter
Windeln), roch es durchdringend nach Erbrochenem und Blut; und vielleicht noch
nach unangenehmeren Dingen, die sie gar nicht so genau erkennen wollte ⦠aber
für einen winzigen Moment, vielleicht nur den Bruchteil einer Sekunde und doch
durch und durch erschreckend, empfand etwas tief in ihr diese animalische
Mischung als â¦
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