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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war. Bisher hatte sie stets … nein, sicher keine Angst vor ihm gehabt, sehr wohl aber eine Art von scheuem
Respekt, der diesem Gefühl sehr nahe kam. Schließlich war dies ein Ort, der den
Toten gehörte und an dem der Tod nicht nur allgegenwärtig war, sondern zu jeder
Minute des Alltags gehörte, ohne dadurch auch nur das Mindeste von seinem
Schrecken zu verlieren. Sie war nie gerne hierhergekommen – niemand, den sie
kannte, tat das – und wenn, dann war stets etwas wie ein schlechter Geschmack
tief in ihr zurückgeblieben, den sie manchmal tagelang nicht loswurde.
    Und genau das hatte sich geändert.
    Die Erkenntnis überkam sie so plötzlich, dass sie stehen blieb und
sich verblüfft umsah. Der Gang wirkte so unpersönlich und uneinladend wie eh
und je, das Licht kalt und schattenlos, und die gleichförmigen Türen rechts und
links des fensterlosen Korridors schienen jedem Besucher ungeachtet ihrer
freundlichen Farben eine stumme Warnung zuzuschreien, besser nicht einzutreten.
    Â»Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Trausch.
    Â»Nein«, sagte Conny und ging rasch weiter. Wie hätte sie ihm auch
erklären können, was sie empfand? Dabei war es im Grunde ganz einfach: Dieser
Ort hatte seinen Schrecken für sie verloren.
    Sie hatten den Aufzug fast erreicht, als eine Tür vor ihnen aufging
und Levèvre heraustrat. Conny hätte ihn auf den ersten Blick fast nicht
erkannt. Statt eines maßgeschneiderten Anzugs oder eines weißen Kittels trug er
eine Art grünen Overall unter einer schweren Lederschürze und lange, fast bis
zu den Ellbogen reichende Gummihandschuhe, die beide mit dunklen Flecken
übersät waren, über deren genaue Herkunft sie vorsichtshalber erst gar nicht
nachdachte.
    Aber es war nicht nur sein Äußeres, das sich verändert hatte. Auf
seinem Gesicht lag ein zu gleichen Teilen erschöpfter wie gereizter Ausdruck,
und obwohl er sich auch jetzt wie üblich stocksteif aufgerichtet und mit
gestrafften Schultern und kampflustig vorgerecktem Kinn und energischen
Schritten bewegte, wirkte er zugleich auch auf sonderbare Weise abgekämpft.
Irgendwie hatte er plötzlich vielmehr etwas von einem Metzger als einem
mehrfach ausgezeichneten Professor der Forensik, dachte sie, als hätte er
zusammen mit seinem Armani-Outfit auch eine Maske abgelegt, die er
normalerweise trug. Vielleicht war es auch genau andersherum. Conny grübelte
eine halbe Sekunde lang darüber nach, welcher Levèvre nun eigentlich der echte
war, kam aber zu keinem Ergebnis. Wahrscheinlich war es auch vollkommen egal.
    Â»Kommissar Trausch.« Levèvre fuhr sich mit dem Handrücken über die
Stirn und verteilte dabei etwas von der schwarzen Schmiere auf seiner Stirn,
ohne es auch nur zu bemerken. »Frau Feisst. Was verschafft mir die Ehre?« Das schon wieder fügte er nicht laut hinzu, doch irgendwie
hörte Conny es trotzdem so deutlich, als hätte er es getan.
    Â»Eigentlich nichts«, antwortete Trausch. »Wir waren zufällig ganz in
der Nähe und wollten etwas überprüfen, aber es hat sich schon erledigt, danke.«
    Â»Falls Sie hier sind, um sich nach den beiden Toten zu erkundigen,
die Sie uns gerade geschickt haben, muss ich Sie enttäuschen«, sagte Levèvre.
    Â»Sind wir nicht«, behauptete Trausch. Der Professor ignorierte ihn
einfach.
    Â»Ich mache die Obduktion selbst, aber auch ich kann nicht zaubern.
Es ist leider nicht mehr allzu viel übrig, was man untersuchen könnte,
wenigstens von einem. Das war saubere Arbeit.«
    Â»Es war eher Notwehr«, antwortete Trausch, eine Spur schärfer als
zuvor. »Die beiden Jungen wollten uns umbringen.«
    Â»Ja, davon habe ich gehört«, bestätigte Levèvre. »Und das mit der
Notwehr glaube ich Ihnen unbesehen.«
    Â»Wieso?«, fragte Conny.
    Â»Ich kann zwar noch nicht viel sagen, aber ein bisschen was haben
wir trotzdem schon herausgefunden. Wenigstens der, bei dem wir das Blut noch
untersuchen können, hat eine Menge Zeug in den Adern, das nicht dorthin gehört.«
    Â»Drogen?«, fragte Trausch.
    Â»Weihrauch und Myrrhe wird es wohl kaum gewesen sein«, antwortete
Levèvre. »Fragen Sie mich nicht, womit, aber der Bursche war zugedröhnt. Bis
unter die Schädeldecke. In diesem Zustand sind die Jungs vollkommen unberechenbar.
Je nach dem, was sie genommen haben, brauchen Sie einen Granatwerfer, um

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