Unheil

Gargoyles verziert war und so aussah, als
stamme es direkt aus der Requisitenkammer des Filmes, der gerade unter ihr
lief. Eine der Matratzen auf dem Boden musste aus diesem Bett stammen, denn es
besaß nur noch einen nackten Sprungrahmen aus Metall, sodass sich die Enden der
rostigen Federn tief ins Fleisch des halb nackten Mädchens gruben, das darauf
lag. Seine Arme waren über dem Kopf mit Handschellen an das eiserne Bettgestell
gefesselt, die Fußknöchel eng zusammengebunden mit einem Strick an sein
Fußteil. Ein Streifen Paketband knebelte ihren Mund, und nicht nur ihre Kleider
lagen zerrissen neben dem Bett auf dem Boden – sie trug nur noch einen
hautfarbenen Slip, dessen Schritt sich dunkel gefärbt hatte – auch das
Stachelhalsband hatte sich zu der schrecklichen Trophäensammlung auf dem Boden
gesellt. Dafür war ihr Kopf mit einem breiten Ledergürtel auf dem Bettgestell
fixiert, so grausam fest angezogen, dass sich die mit Nieten verstärkten Löcher
in ihre Haut gruben und Blut an ihrer Stirn und den Schläfen hinablief; wie in
einer grausamen Verhöhnung einer Dornenkrone.
    Der Vampir selbst kniete auf der anderen Seite des Bettes und
presste mit der linken Hand ihren Oberkörper auf das Gestell. Die andere hatte
er an der Seite ihres Halses, genauer gesagt, an ihrer Hals schlagader ,
in die er etwas gebohrt hatte, das wie ein grotesk großer, silberner
Fingernagel aussah. Ein dünnes, durchsichtiges Röhrchen aus flexiblem
Kunststoff schlängelte sich von dort aus zu einer bauchigen Glasflasche auf dem
Boden. Sie war bereits zwei Finger hoch mit einer dunkelroten, zähen
Flüssigkeit gefüllt.
    Conny nahm das alles mit einem einzigen Blick wahr – und noch
tausend andere, furchtbare Einzelheiten – aber der Anblick war so bizarr und
entsetzlich zugleich, dass sie für die Dauer eines einzelnen Herzschlages
einfach erstarrte und nicht fähig war, auch nur einen klaren Gedanken zu
fassen.
    Um ein Haar hätte sie dieses Zögern das Leben gekostet, denn im
Gegensatz zu ihr reagierte Pferdeschwanz mit beinahe übermenschlicher
Schnelligkeit.
    Er machte sich nicht die Mühe, aufzuspringen und um das Bett
herumzulaufen oder darüber hinwegzuspringen, sondern warf es in einer ebenso
schnellen wie fast unmöglich erscheinenden Kraftanstrengung einfach um. Sein
eiserner Fingernagel riss den Hals des Mädchens weiter auf, sodass ihr Blut nun
nicht mehr in die Flasche lief, sondern in einer hellroten, pulsierenden
Fontaine gegen die Pappwände spritzte. Und praktisch aus der gleichen Bewegung
heraus packte er seinen schrecklichen Sammelbehälter mit der anderen Hand und
schleuderte ihn nach Conny.
    Diese duckte sich, um dem heimtückischen Wurfgeschoss auszuweichen,
und drückte gleichzeitig ab, und das Geräusch des Schusses und das Klirren von
Glas unmittelbar über ihrem Kopf vermengten sich zu einem einzigen, unglaublich lauten Bersten. Neben Pferdeschwanz’ Schulter
erschien ein winziges, rauchendes Loch in den Pappkartons, und Conny hatte das
Gefühl, mit einem Nadelkissen geohrfeigt zu werden; gleichzeitig lief etwas
Warmes und Klebriges und ungeheuer Widerwärtiges über
ihr Gesicht, aber sie reagierte trotzdem, schwenkte die Waffe herum und drückte
noch einmal ab. Sie war schnell, unglaublich schnell, aber der Vampir war
schneller.
    So rücksichtslos, als hielte er sich tatsächlich für so kugelfest
wie das mythologische Ungeheuer, dessen Namen er sich ausgeliehen hatte,
stürzte er über das umgekippte Bett hinweg auf sie zu. Conny sah , wie die Kugel seinen linken Unterarm durchschlug und
seine Schulter zurückriss, aber der Kerl wurde nicht einmal langsamer, sondern
prallte gegen sie, riss sie mit seinem Gewicht von den Füßen und schlug
gleichzeitig nach ihrer Waffe. Die Pistole wurde ihr aus der Hand gerissen und
flog in hohem Bogen davon, und Conny prallte gegen die fragile Wand aus
Pappkartons, die zur Gänze zu wanken begann und wohl nur deshalb nicht
zusammenbrach, weil sie das Gitter auf der anderen Seite stützte. Etwas
Silbernes, Bösartiges blitzte vor ihrem Gesicht auf. Irgendwie gelang es ihr,
dem Hieb der künstlichen Kralle auszuweichen, doch dann krümmte sie sich und
japste vergeblich nach Luft, als der Kerl sie wuchtig in den Magen boxte.
Schmerz explodierte in einer grellen Lohe vor ihren Augen, und für
Sekundenbruchteile war sie vollkommen hilflos.