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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einem
einzelnen Schuss, einem heftigen Scheppern, polternden Schritten und weiteren
Schreien.
    Conny wurde übel. Ihr Gesicht schmerzte, sie fühlte sich auf eine
unbeschreibliche Art besudelt , und der Kratzer auf
ihrer Brust brannte wie Feuer, als wäre die silberne Kralle mit einem ätzenden
Gift bestrichen gewesen. Vielleicht war sie es ja. Aber sie hatte keine Zeit,
um in Ohnmacht zu fallen. Das Mädchen hatte aufgehört, zu wimmern und sich
vergebens gegen die Fesseln zu wehren, sondern hing reglos unter dem
umgestürzten Bettgestell. Aus der Wunde in ihrem Hals schoss noch immer ein
dünner, pulsierender Blutstrom.
    Ohne auf das Poltern und den immer noch anhaltenden Lärm draußen zu
achten – immerhin fielen keine weiteren Schüsse –, griff sie mit beiden Händen
zu, stemmte das Bett mit der puren Kraft der Verzweiflung in die Höhe und warf
es herum. Das Mädchen war noch bei Bewusstsein. Ihre Augen standen weit offen
und waren schwarz vor Angst. Tränen liefen über ihr Gesicht. Und Blut.
Unvorstellbar viel Blut.
    Conny war mit einem einzigen Satz am Kopfende des Bettes und fiel
auf die Knie. Mit einer Hand riss sie das Klebeband vom Gesicht des Mädchens,
mit der anderen versuchte sie den pulsierenden Blutstrom zu stoppen, der aus
ihrer aufgerissenen Halsschlagader sprudelte, aber es wollte ihr nicht
gelingen. Ihre Hände waren mittlerweile so voll von Blut, als trüge sie nasse,
hauteng anliegende Handschuhe.
    Wieder erschollen draußen ein Schrei und ein Poltern, dann flogen
auch noch die letzten Kartons zur Seite, und eine riesenhafte Gestalt taumelte
herein. Conny schrak entsetzt zusammen und fuhr hoch, aber es war nicht der
Vampir, der zurückkam, um ihr den Rest zu geben, sondern der Muskelprotz, der
sie vorhin hereingelassen hatte, oder zumindest sein Zwillingsbruder aus
derselben Spezies. Er rollte zwar wie eine Lawine aus Muskeln heran, prallte
dann jedoch zurück, und der Ausdruck auf seinem Gesicht wandelte sich
schlagartig in pures Entsetzen.
    Sie gab ihm keine Gelegenheit, auch nur eine einzige Frage zu
stellen, sondern herrschte ihn an: »Einen Notarzt! Schnell!«
    Warmes Blut floss über ihre Hand, und sie spürte, wie das Herz des
Mädchens immer schneller und härter pumpte, wie um gegen den Druck anzukämpfen,
den Conny auf die Halsschlagader ausübte, um das Leben trotzdem irgendwie aus
ihr herauszupressen. Gesicht und Schultern des Mädchens hatten sich inzwischen
fast komplett rot gefärbt, aber Conny hätte nicht ins Gesicht des Türstehers
sehen müssen, um zu wissen, dass sie selbst auch keinen besseren Anblick bot.
Ihre Jacke war zerrissen und ihr Haar und ihr Gesicht mit dem Blut des Mädchens
verschmiert, und in ihren Augen musste wohl etwas flackern, das noch viel
schlimmer war, denn der Bursche prallte ein zweites Mal und noch viel heftiger
zurück, als er ihrem Blick begegnete, und war dann wie der Blitz verschwunden;
allerdings nur, um zwei anderen Gestalten Platz zu machen, die hintereinander
hereinstürmten und dann genauso entsetzt stehen blieben wie er zuvor. Bei einem
davon schien es sich um einen weiteren Zwillingsbruder aus derselben Familie zu
handeln, der andere war Tom, der ganz offensichtlich nicht die besprochenen
zehn Minuten gewartet und dann die Polizei, sondern gleich die Kavallerie
gerufen hatte. Guter Junge.
    Â»Mein Gott!«, keuchte er. »Was … was ist denn hier …?« Dann
verfinsterte sich sein Gesicht. »Dieses verdammte Schwein! Aber die Drecksau
kriegen wir, keine Sorge!«
    Â»Den Teufel wirst du tun!«, fuhr Conny ihn an, in so herrischem Ton,
dass er erstarrte und sie verdutzt ansah. Genau das konnten sie jetzt noch
gebrauchen: eine hübsche kleine Verfolgungsjagd inklusive einer lustigen
Schießerei in einer voll besetzten Disco. In ihrer Waffe waren immer noch zehn
Schuss. Genug, um eine Menge Schaden anzurichten.
»Lauf zur Treppe und hol meine Tasche! Los! «
    Tom verschwand beinahe noch schneller als sein Vorgänger, und Conny
winkte den zweiten Türsteher mit einer entsprechenden Kopfbewegung herbei und
presste nun beide Handflächen auf den Hals des Mädchens. Es klappte einfach
nicht, die Blutung zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen. Verzweiflung
begann sich in ihr auszubreiten. Sie hatte gelernt, wie man mit einer solchen
Wunde umging, aber ihr Kopf war plötzlich wie leer gefegt. Panik, dachte

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