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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pferdeschwanz packte sie mit
beiden Händen und warf sie noch einmal gegen die Pappwand, und diesmal gelang
es ihr nicht mehr vollkommen, dem Hieb seiner silbernen Kralle auszuweichen.
Rasiermesserscharf geschliffenes Metall schlitzte den Stoff ihrer Jacke und die
Bluse über ihrer linken Schulter auf, und eine Linie aus dünnem, brennendem Schmerz
zog sich von ihrer Schulter bis zum Brustbein hinab.
    Ganz instinktiv zog sie das Bein an und rammte dem Kerl das Knie
zwischen die Beine. Er drehte sich im letzten Moment zur Seite, sodass sein
Oberschenkel die allergrößte Wucht des Treffers abfing, aber Conny hatte so
hart zugestoßen, dass ihr eigenes Knie taub war. Der Vampir keuchte vor
Schmerz, torkelte einen Schritt zurück und starrte sie eindeutig mehr wütend
als schmerzerfüllt an. Unverzüglich wollte er sich erneut auf sie stürzen, aber
sein geprelltes Bein gab unter seinem Gewicht nach, und er fiel schwer auf ein
Knie hinab.
    Conny half der Entwicklung noch ein bisschen nach, indem sie nach
ihm trat. Sie traf, wenn auch nicht sein Gesicht, wie sie es beabsichtigt
hatte. Ein schmal geschnittenes Kostüm eignete sich nicht besonders gut, um
einen perfekten Karate-Tritt auszuführen, selbst wenn das anvisierte Ziel vor
einem kniete, und Pferdeschwanz warf sich im letzten Moment herum, sodass sie
seine Schulter traf und nicht sein Gesicht – aber es war der angeschossene Arm,
und diesmal wurde sie nicht nur mit einem schmerzerfüllten Grunzen belohnt.
    Pferdeschwanz kippte nach hinten, prallte hart mit Hinterkopf und
Schultern gegen das umgestürzte Bett und rollte halb benommen zur Seite.
    Als er auf den Boden rutschte, schloss sich seine Hand um die
Pistole, die sie fallen gelassen hatte.
    Die Zeit schien zu einem klebrigen Sirup zu erstarren, die ihre
Bewegungen zu einem grotesken, pantomimischen Tanz verlangsamte, während sich
ihre Gedanken zugleich mit zehnfacher Schnelligkeit überschlugen, ohne dass es
ihr etwas nutzte. Sie sah, wie sich seine Hand um die Waffe schloss und er sich
umzudrehen begann, ebenso grotesk langsam und pantomimisch wie sie, aber immer
noch schneller , als sie ihn irgendwie erreichen
konnte, und tat das Einzige, was ihr noch übrig blieb: Sie ließ sich einfach
auf ihn fallen, rammte ihm die Knie in die ungefähre Gegend seiner Nieren und
riss mit beiden Händen an seinem Pferdeschwanz. Wenn sie ihm auf diese Weise
das Genick brach, sollte es ihr auch recht sein.
    Das geschah nicht. Der Pferdeschwanz löste sich, und Conny fiel vom
Schwung ihrer eigenen Bewegung nach hinten gerissen auf den Rücken, und noch
bevor sie richtig begreifen konnte, was überhaupt passierte, schlug er ihr den
Lauf der Pistole mit solcher Wucht ins Gesicht, dass sie nahezu das Bewusstsein
verlor.
    Es tat nicht einmal wirklich weh. Trotzdem wurde ihr schwarz vor
Augen, und sie spürte, wie alle Kraft zuerst aus ihren Gliedern und dann aus
ihrem ganzen Körper wich. Alles wurde unwirklich, und eine körperlose, dunkle
Hand schien nach ihren Gedanken zu greifen und sie einzuhüllen.
    Mit einer gewaltigen Willensanstrengung gelang es ihr, die Ohnmacht
zurückzudrängen, und sie spürte auch, dass allerhöchstens ein paar Sekunden verstrichen
sein konnten, aber es waren wohl die entscheidenden Sekunden gewesen: Der
Vampir hockte vor ihr auf den Knien und zielte mit ihrer eigenen Pistole auf
sie. Sein Gesicht war blutüberströmt, aber sie gewahrte auch das schmutzigste
Grinsen darauf, das sie jemals gesehen hatte. Der Pistolenlauf deutete genau
auf ihre Stirn.
    Â»He! Was ist denn da los?!«
    Eine halbe Sekunde lang war Conny felsenfest davon überzeugt, dass
die Stimme nichts als eine Ausgeburt ihrer eigenen Phantasie war, aber dann
flog der Kopf des Angreifers mit einem Ruck herum, und ein Ausdruck von
plötzlichem Erschrecken wischte das hämische Grinsen von seinem Gesicht.
    Â»Was ist da los? Wer ist da?« Schritte näherten sich, ein Poltern
und Klirren und dann ein halb überraschter, halb erschrockener Ausruf. Der
Vampir fuhr hoch, einen halben Atemzug lang unschlüssig, was er tun sollte, und
Conny trat nach ihm. Sie traf, wenn auch nicht fest genug, um ihm wehzutun,
aber er stolperte trotzdem einen halben Schritt zurück und zielte nun wieder auf
sie. Aus irgendeinem Grund drückte er jedoch nicht ab, sondern fuhr auf dem
Absatz herum und stürzte davon. Draußen ertönte ein Schrei, gefolgt von

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