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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sie
hysterisch. Was sie spürte, war nichts anderes als Panik. Aber die konnte sie
sich nicht leisten, wenn das Mädchen am Leben bleiben sollte.
    Der Muskelprotz streckte die Hände aus, um den Lederriemen von der
Stirn des Mädchens zu lösen, doch Conny schüttelte hastig den Kopf. »Nicht!
Wenn sie sich bewegt, verblutet sie noch schneller!«
    Der Bursche wirkte nicht überzeugt, aber ihr Ton, in dem eine
befehlsgewohnte Sicherheit schwang, die sie nicht einmal ansatzweise selbst
empfand, tat seine Wirkung und ließ ihn verharren.
    Â»Hat es jemanden erwischt?«, fragte Conny hastig. »Der Schuss
gerade. Hat er jemanden getroffen?«
    Er schüttelte immer noch schweigend und zu Tode verängstigt den
Kopf, und sie gestattete sich zumindest ein flüchtiges Gefühl der
Erleichterung. Wenigstens war nicht noch jemand verletzt worden.
    Â»Was … ist denn überhaupt … passiert?«, murmelte der Türsteher
schließlich. Sein Gesicht war vollkommen starr, und seine Stimme kam Conny
schon fast unangemessen ruhig vor. Schock. Er stand – natürlich – unter Schock.
Mit ein bisschen Glück kippte er gleich aus den Latschen, und sie hatte ihn
auch noch am Hals.
    Sie wusste, dass sie das eigentlich nicht sagen sollte, doch irgendwie
musste sie ihn beruhigen, bevor er den Anblick verinnerlichte und auf komische
Gedanken kam. »Ich bin Polizistin«, erklärte sie. »Der Kerl, der gerade auf Sie
geschossen hat … das war der Vampir.«
    Â»Der Vampir?«
    Â»Lesen Sie keine Zeitung?« Unendlich behutsam und trotzdem der
Verzweiflung näher als irgendetwas anderem, versuchte Conny die Finger auf die
Halsschlagader des Mädchens zu pressen, um auf diese Weise so etwas wie einen
Druckverband mit den bloßen Händen zu improvisieren. Das Problem war, sie dabei
nicht ganz aus Versehen umzubringen.
    Â»Der Vampir? Du meinst diesen Serienkiller?«
    Es war nicht der Türsteher, sondern Tom, der zurückkam und ihre
Handtasche schwenkte. Ihre Schuhe hatte er auch gleich mitgebracht.
    Â»Na, wonach sieht es hier wohl aus? Nach einem Schäferstündchen
vielleicht?«, fauchte Conny. »In der Tasche sind meine Handschellen und die
Schlüssel. Mit ein bisschen Glück passen sie. Aber macht sie noch nicht los.
Erst muss ich dieses verdammte Blut irgendwie stillen!«
    Falls es ihr gelang.
    Im Moment sah es allerdings eher so aus, als würde das Mädchen unter
ihren Händen verbluten.

Kapitel 2
    Später an
diesem Tag – wenn es noch derselbe Tag war nicht einmal dessen war sie sich
sicher – erschien es ihr, als würde sie langsam aus einem Albtraum erwachen;
nicht schnell und mit klopfendem Herzen und schweißgebadet, sondern langsam,
mühevoll und immer wieder auf dem Weg innehaltend, um Kraft zu sammeln. Beinahe
als tauche sie vom Grunde eines schwarzen Ozeans voller namenloser, schrecklicher
Dinge seiner hell erleuchteten Oberfläche entgegen, aber erfüllt von dem
sicheren instinktiven Wissen, dass in diesem vermeintlich rettenden Licht nur
weiterer, noch größerer Schrecken lauerte.
    Müde und mit zusammengebissenen Zähnen, weil die Bewegung einen
neuen, heftigen Schmerz durch ihren bandagierten Arm schießen ließ, schob sie
den Ärmel ihrer geliehenen Jacke zurück und sah auf die Uhr. Ihre eigene
Kostümjacke war nicht nur zerfetzt, sondern befand sich bei der KTU , so wie übrigens jeder andere Fetzen, den sie am Leib
getragen hatte. Ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht: Es war nach Mitternacht,
sogar schon über eine Stunde nach Mitternacht, und sie fragte sich, was mit der
Zeit passiert war. Sie hatte das Gefühl, seit einem Jahrhundert hier zu sitzen,
und zugleich schienen erst Sekunden vergangen zu sein, seit ihre Kollegen und
eine schiere Ewigkeit danach auch endlich das Rettungsteam vom DRK aufgetaucht waren und sich das Trash endgültig in ein Tollhaus verwandelt hatte.
    Was danach folgte, war im Grunde nichts als die übliche Routine
gewesen: Kripo, Spurensicherung und der ganze Rest, einschließlich des üblichen
Spießrutenlaufs an der Journalistenmeute vorbei, auch wenn ihr dieser Teil diesmal zum Glück erspart blieb. Nachdem sie
das Mädchen in aller Hast notversorgt und weggebracht hatten, war sie trotz
ihrer heftigen Proteste in einen zweiten Krankenwagen verfrachtet und in die
nächste Klinik gebracht worden.
    Abgesehen von dem

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