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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Teil mit dem Krankenhaus hatte sie all das schon
unzählige Male erlebt, wenn auch sicher nicht in dieser Dimension, und es
sollte Routine sein. Irgendwie war es das auch gewesen, und zugleich kam es ihr
im Nachhinein wie ein surrealistischer Traum vor, in dem sie zwar die
Hauptrolle gespielt hatte, zugleich aber auch zur unbeteiligten Zuschauerin
degradiert worden war. Sie hatte jedes bisschen Schmerz und Schrecken bis zur
Neige ausgekostet, aber ihr war auch jede Möglichkeit verwehrt, sich zu
verteidigen.
    Seitdem war sie hier, und sie konnte wirklich nicht sagen, ob es eine,
zwei oder fünf Stunden gewesen waren. Ein paarmal hatte jemand hereingeschaut
(ausnahmslos ihr völlig unbekannte Streifenbeamte, niemals einer ihrer
Kollegen) und gefragt, ob sie etwas brauche, und einmal hatte man ihr einen
Teller mit belegten halben Brötchen und eine Thermoskanne Kaffee gebracht. Die
Brötchen hatte sie nicht angerührt, aber die Thermoskanne war längst leer.
Wahrscheinlich doch eher fünf Stunden als eine.
    Wieder näherten sich Schritte der Tür. Sie konnte nicht einmal
sagen, ob in unmittelbarem Anschluss an diesen Gedanken oder ob dazwischen
abermals Zeit verstrichen war und wie viel. Es spielte auch keine Rolle. Sie
hatte das sichere Gefühl, dass sie so oder so den Rest der Nacht im diesem Büro
verbringen würde, und auch das war ihr egal.
    Diesmal gingen die Schritte nicht vorbei, sondern die Tür wurde
geöffnet, und Eichholz trat ein, ohne anzuklopfen oder sich mit etwas so
Nebensächlichem wie einer Begrüßung aufzuhalten. Ebenso wortlos schloss er die
Tür wieder hinter sich und steuerte den freien Platz auf der anderen Seite des
einfachen Kunststofftisches an, aber sie wurde noch einmal aufgerissen, bevor
er sich setzen konnte. Nun kam Trausch herein, Kriminalhauptkommissar Kurt Trausch, um genau zu sein, Stellvertretender Leiter der SOKO Vampir und damit nicht nur Eichholz’ direkter
Untergebener, sondern auch ihr zweitoberster Vorgesetzter, zumindest in diesem
Gebäude. Auch er sagte kein Wort, schenkte ihr jedoch anders als Eichholz
wenigstens ein flüchtiges Lächeln, und der besorgte Blick, mit dem er sie maß,
wirkte durchaus echt.
    Eichholz wartete, bis er ebenfalls Platz genommen hatte – nach einem
fast unmerklichen Zögern und weder auf seiner noch auf Connys Seite, sondern am
Kopfende des Tisches – und legte dann die Fingerspitzen auf der verschrammten
Resopalplatte gegeneinander. Sowohl er als auch Trausch waren mit leeren Händen
gekommen. Keine Unterlagen, keine Aktenordner oder Notizbücher, nicht einmal
einen der roten Plastikschnellhefter, wie Eichholz sie so sehr liebte. Sie wie
mit dem Hieb einer Bullenpeitsche auf den Tisch zu klatschen, war gewissermaßen
zu seinem Markenzeichen geworden, und im Präsidium ging das Gerücht um, dass er
diese Fähigkeit nicht nur jahrelang trainiert hatte, sondern seine
Schnellhefter auch oft genug leer waren. Jetzt hätte Conny sich beinahe
gewünscht, den peitschenden Schlag zu hören. Die leeren Hände, mit denen die
beiden Männer gekommen waren, machten sie nervös.
    Â»Die gute Nachricht zuerst«, begann Eichholz, nachdem er ungefähr
eine Minute lang vergebens versucht hatte, sie niederzustarren. »Ich habe vor
zehn Minuten mit dem Krankenhaus telefoniert . Das
Mädchen ist außer Lebensgefahr, und die Ärzte sind zuversichtlich, dass sie
keine bleibenden Schäden zurückbehalten wird.«
    Conny gestatte sich ein erleichtertes Seufzen. Zuversichtlich bedeutete nicht sicher, aber aus dem Mund eines
Arztes war das vermutlich die optimistischste Prognose, die sie nach so kurzer
Zeit erwarten konnte. Es war eine gute Nachricht.
    Â»Und die Schlechte?« Ganz plötzlich verspürte sie ein fast
unwiderstehliches Verlangen nach einer Zigarette, aber sie verzichtete auf eine
entsprechende Frage.
    Â»Mit welcher soll ich anfangen, Kommissarin Feisst?«, erwiderte er
mit unbewegtem Gesicht, bedeutete ihr aber auch gleichzeitig mit einer raschen
Geste, still zu sein. »Vielleicht mit einer Frage?«
    Â»Zum Beispiel?«
    Â»Zum Beispiel der, was, zum Teufel, Sie in dieser Diskothek zu
suchen hatten«, antwortete Eichholz.
    Â»Ich dachte, das hätte ich schon gesagt.« Conny kramte fast panisch
in ihrem Gedächtnis, ohne jedoch sagen zu können, ob er ihr diese Frage heute
schon einmal gestellt hatte oder vielleicht sogar

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