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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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helfen.«
    Schneider sog wieder an seiner Zigarre, und diesmal war Conny
vollkommen sicher, dass er es nur tat, um sie durch die dichte, graublaue
Qualmwolke hindurch in Ruhe mustern zu können, ohne selbst wirklich gesehen zu
werden. Sie konnte nicht sagen, wieso – aber sie spürte die Feindseligkeit, die
dieser Mann ausstrahlte, beinahe körperlich.
    Â»Was ist passiert?«, fragte sie. »Tess ist weggelaufen?«
    Â»Theresa, ja«, antwortete Schneider betont. »Aber das ist nicht das
erste Mal. Und ich fürchte, es wird auch nicht das letzte Mal bleiben. Sie
kommt wieder. Bis jetzt ist sie immer wiedergekommen.«
    Â»Einmal beinahe nicht«, sagte Conny. Sie wusste selbst, dass das
nicht besonders geschickt war oder gar diplomatisch. Es fiel ihr immer
schwerer, auch nur äußerlich Ruhe zu bewahren. Dass Menschen, zu denen sie aus
keinem anderen Grund als dem kam, um ihnen zu helfen, ablehnend oder gar
feindselig reagierten, war sie gewohnt. Aber bei Schneider war es irgendwie … anders . Schlimmer. Obwohl sie sein Gesicht hinter den
grauen Rauchwolken mittlerweile tatsächlich kaum noch erkennen konnte, konnte
sie zugleich ebenso wenig übersehen, dass es ihn mittlerweile mindestens ebenso
große Mühe kostete, sich zu beherrschen, wie umgekehrt ihr. Aber sie hatte auch
genug Erfahrungen in Situationen wie diesen, um zu wissen, wie völlig sinnlos
es war, dieses Gespräch fortzusetzen. Sie drehte sich demonstrativ zu seiner
Frau um.
    Â»Also, was genau ist passiert?«
    Â»Was immer passiert«, sagte Theresas Vater. »Sie will einfach keine
Vernunft annehmen.«
    Conny ignorierte ihn. »Sie haben Theresa aus dem Krankenhaus
abgeholt. Wann genau war das?«
    Â»Irgendwann heute Morgen«, antwortete Marianne Schneider.
»Vielleicht um elf, oder etwas eher.«
    Â»Da war noch alles in Ordnung?«
    Â»Am Anfang, ja.« Die zierliche Frau warf einen halb ängstlichen,
halb auch um Erlaubnis bittenden Blick zu ihrem Mann hin, bevor sie fortfuhr.
»Im Wagen hat sie dann verlangt, dass wir sie zu ihrer Freundin bringen, statt
nach Hause. Dabei musste ich dem Arzt versprechen, auf sie aufzupassen und
dafür zu sorgen, dass sie sich sofort ins Bett legt.«
    Â»Aber das wollte sie nicht«, vermutete Conny.
    Â»Nein. Sie wollte unbedingt zu ihrer Freundin.«
    Â»Warum haben Sie Ihrem Wunsch nicht einfach entsprochen?«, erkundigte
sich Conny. »Vielleicht wäre das Mädchen ja mit hierhergekommen.«
    Â»Ganz bestimmt nicht!«, mischte sich Schneider ein. Er machte ein
abfälliges Geräusch. »Das Mädchen , wie sie Sie
nennen, ist doch schuld daran, dass Theresa so geworden ist. Sie und ihre sogenannten Freunde!«
    Conny sagte immer noch nichts, warf ihm aber einen jetzt
unübersehbar warnenden Blick zu, bevor sie sich erneut und noch immer mit
erzwungen ruhiger Stimme wieder an seine Frau wandte. »Also ist es im Auto
schon zum Streit gekommen. Und ich nehme an, er hat sich zu Hause fortgesetzt.
Was ist passiert?«
    Â»Was immer passiert«, antwortete sie. »Wir haben doch nichts
Unmögliches von ihr verlangt. Nur, dass sie tut, was der Arzt ihr geraten hat.
Sie hat zwar behauptet, dass ihr nichts fehlt, doch glauben Sie mir, das stimmt
nicht. Sie hätten Sie sehen sollen. Ganz blass und schwach. Sie konnte kaum
gehen.«
    Â»Immerhin konnte sie wütend aus dem Haus rennen und die Tür hinter
sich zuknallen«, warf ihr Mann ein.
    Jetzt reichte es. Conny drehte sich betont langsam zu ihm um. »Sind
Sie betrunken, Herr Schneider?«
    Die Augen hinter dem Vorhang aus grauem Zigarrenqualm wurden schmal.
»Betrunken?« Er blickte wieder auf das Glas in seiner Hand und schüttelte
trotzig den Kopf. »Das ist das erste Glas heute, wenn Sie das meinen. Und
selbst wenn nicht, ich wüsste nicht, was Sie das angeht. Das hier ist mein
Haus.«
    Â»Selbstverständlich«, sagte Conny ruhig. »Aber Ihre Frau hat mich um
Hilfe gebeten. Wenn Sie diese Hilfe nicht möchten, soll es mir recht sein. Ich
kann gehen und meine Kollegen hierher schicken, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Â»Ihre Kollegen?«, lachte Schneider. »Wozu? Ich habe keine Anzeige
erstattet.«
    Â»Das ist auch nicht nötig«, antwortete Conny gelassen. »Ihre Tochter
ist noch nicht volljährig. Bei verschwundenen Kindern kommen wir auch, wenn man
uns nicht ruft.« Das entsprach – zumindest in

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