Unheil
nicht«, antwortete er verstört. »Es ist nur
so, dass â¦Â«
»Ja?«, fragte Conny. Jetzt klang ihre Stimme beinahe lauernd, und
auch in ihr war plötzlich etwas, das nur darauf zu warten schien, die Krallen
auszufahren und sich auf ihn zu stürzen. Was hatte sie eben noch selbst über
ihre vermeintliche Professionalität gedacht?
»Kommissar Trausch hat uns strengstens eingeschärft, Sie nicht aus
den Augen zu lassen«, antwortete er schlieÃlich, wobei er wie ein ertappter
Schuljunge immer nervöser von einem Fuà auf den anderen zu treten begann. Conny
war schon lange niemanden mehr begegnet, der sich so sichtlich unwohl in seiner
Haut fühlte und dem das, was er tat, so unübersehbar unangenehm war. Sein
Kollege zog es vor, sich unauffällig umzudrehen und die geschlossenen
Aufzugtüren zu bewachen.
»Aber er hat Ihnen nicht aufgetragen, mich nicht aus der Wohnung zu
lassen, vermute ich«, sagte sie. »Oder bin ich verhaftet oder stehe unter
Hausarrest?«
»Es dient nur Ihrem eigenen Schutz«, antwortete der Beamte in dem
ebenso tapferen wie vergeblichen Versuch, an ihre Vernunft zu appellieren.
»Unsinn!«, erwiderte Conny, zwar scharf, aber auch mit einem
Lächeln, zu dem sie sich zwingen musste. »Ich passe schon auf mich auf, keine
Sorge. Was muss ich eigentlich noch tun, um zu beweisen, dass ich dazu in der
Lage bin?«
»Wir können Sie schlecht beschützen, wenn Sie nicht da sind.«
»Dann begleiten Sie mich doch«, sagte Conny spöttisch. »Ich habe
nichts dagegen, wenn Sie hinter mir herfahren.« Sie machte einen einzelnen
Schritt, blieb wieder stehen und tat so, als wäre ihr plötzlich etwas
eingefallen. »Oder noch besser: Fahren Sie mich hin. Auf diese Weise haben Sie
mich ganz genau unter Kontrolle, und ich spare das Geld fürs Taxi.«
Schon aus Rücksicht auf das, was Theresas Mutter am
Telefon über ihren Mann erzählt (und sie selbst gehört) hatte, hatte sie ihr
blausilbernes Privattaxi ein gutes Stück vor dem schmucken Einfamilienhaus
anhalten lassen und die letzten zwei- oder dreihundert Meter zu FuÃ
zurückgelegt, und spätestens das war der Moment gewesen, in dem sie wirklich
froh über ihre Verkleidung war. Was ihr schon am Morgen aufgefallen war,
bestätigte sich: Irgendetwas schien mit ihren Augen nicht zu stimmen. Die Sonne
brannte nach wie vor von einem wolkenlosen Himmel, und ihr Licht war hell, hätte ihr jedoch angesichts der Sonnenbrille
nicht die Tränen in die Augen treiben dürfen. Aber genau das geschah. Sie
musste allein auf dem kurzen Stück zum Haus der Schneiders zweimal die Brille
abnehmen und sich über die Augen wischen, und als sie in den Schatten des
altmodischen Windfangs vor der Tür trat, war sie nicht nur so gut wie blind,
ihr Gesicht brannte auch, als wäre sie unter der Sonnenbank eingeschlafen.
Die Tür ging auf, noch bevor sie die Hand nach der Klinke
ausstrecken konnte, und Marianne Schneider trat heraus. Ihrem irritierten Blick
nach zu schlieÃen schien sie Mühe zu haben, sie überhaupt zu erkennen. Conny
erging es umgekehrt nicht besser: Die zierliche Frau, die ihr gegenüberstand,
kam ihr mindestens zehn Jahre älter vor als die, die sie vor wenigen Tagen im
Krankenhaus getroffen hatte, und das lag ganz und gar nicht nur an der
Tatsache, dass sie jetzt statt Kostüm und Mantel eine uralte Kittelschürze und
zerschlissene Hausschuhe trug. Ihr Haar war durcheinander und strähnig, und man
sah ihr an, dass sie geweint hatte. Sie wirkte gebrochen.
»Frau Feisst?«, fragte sie unsicher.
Conny nahm fast hastig die Sonnenbrille ab und zwang sich zu einem
Lächeln. »Nennen Sie mich Conny. Das tun alle meine Freunde. Frau Feisst klingt so offiziell.«
Sie klappte ihre Sonnenbrille zusammen und verstaute sie in der
Handtasche, bevor sie mit einer entsprechenden Kopfbewegung fortfuhr: »Darf ich
reinkommen?«
Theresas Mutter nickte mit sichtlichem Widerwillen. »Mein Mann ist
noch da«, sagte sie unbehaglich.
»Das trifft sich gut«, antwortete Conny. »Ich wollte sowieso auch
mit ihm reden.«
Die verhärmt wirkende Frau wirkte nur noch unglücklicher, gab jedoch
endlich den Weg frei, und Conny trat an ihr vorbei in einen winzigen Hausflur,
in dem es so intensiv nach kaltem Zigarrenrauch roch, dass sie das Gefühl
hatte, kaum noch Luft zu bekommen. Für ihre gestressten
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