Unheil
dieser Form â nicht genau den
Tatsachen, und sie war auch ziemlich sicher, dass Schneider das wusste. Dennoch
widersprach er nicht noch einmal, sondern funkelte sie nur zornig an und nahm
trotzig einen weiteren Schluck aus seinem Bierglas.
»Also«, wandte sich Conny wieder an seine Frau, »was genau ist
passiert? Wenn Sie sagen, dass es oft Streit zwischen Ihnen gab, muss es heute
doch etwas Besonderes gewesen sein â oder ist sie ständig davongelaufen?«
»Nicht oft«, antwortete Theresas Mutter ausweichend. »Manchmal
schon, aber in letzter Zeit ⦠ist es sogar wieder ein bisschen besser geworden.
Bis heute.«
»Weil sie unbedingt zu ihrer Freundin wollte ⦠oder gab es einen
anderen Grund?«
Die grauhaarige Frau sagte nichts, doch Conny las die Antwort auf
ihre Frage in ihren Augen und machte rasch eine Handbewegung, als wäre diese
Frage gar nicht so wichtig für sie. »Vielleicht zeigen Sie mir einfach Theresas
Zimmer. Fangen wir damit an.«
»Wozu?«, wollte Schneider wissen.
»Reine Routine«, behauptete Conny. »Ich möchte mir einfach einen
Eindruck von ihr verschaffen, das ist alles. Vielleicht finde ich irgendeinen
Hinweis, wohin sie gegangen sein könnte. Seit wann genau ist sie verschwunden?«
»Vielleicht seit zwei Uhr«, antwortete Schneiders Frau. »Es war kurz
nachdem wir diese furchtbaren Nachrichten gesehen hatten.«
»Welche Nachrichten?«
»Die im Fernsehen.« Sie strich sich mit der Hand durch die grauen
Haare. »Ich habe nicht genau hingesehen, aber es war irgendetwas mit einem
Feuer. Es soll zwei oder drei Tote gegeben haben, und angeblich hängt es
irgendwie mit diesem schrecklichen Ungeheuer zusammen.«
»Aisler«, bestätigte Conny. Sie selbst hatte an diesem Tag weder die
Zeit gefunden noch hatte ihr der Sinn danach gestanden, Nachrichten zu sehen.
Sie konnte sich allerdings lebhaft vorstellen, wie sich die Presse (selbst ihre
wenigen seriösen Vertreter) auf die Geschichte gestürzt hatte. Offensichtlich
wussten weder Theresas Mutter noch ihr Vater, in welchem Umfang sie selbst
darin verwickelt gewesen waren, und im Moment war es vermutlich auch besser,
wenn es dabei blieb.
»Der Kerl, der Theresa beinahe umgebracht hätte«, bestätigte
Schneiders Frau. »Ist es wahr, dass er entkommen ist?«
»Nein«, sagte Conny.
»Da sagen sie im Fernsehen aber etwas anderes«, sagte Schneider
böse.
Conny wandte sich nicht einmal zu ihm um, doch ihre Stimme wurde
hörbar kühler; und um eine Winzigkeit schärfer. »Sie sollten vielleicht nicht alles
glauben, was Sie in der Zeitung lesen oder im Fernsehen sehen, Herr Schneider.
Es entspricht den Tatsachen, dass seine Leiche verschwunden ist. Alles andere
ist reiner Unsinn. Er ist tot. Glauben Sie mir. Ich habe seine Leiche mit
eigenen Augen gesehen.«
Sie drehte sich wieder zu seiner Frau herum. »Zeigen Sie mir ihr
Zimmer, bitte.«
Diesmal gehorchte die grauhaarige Frau so schnell, dass Conny sich
beinahe beeilen musste, um überhaupt mit ihr Schritt zu halten, als sie aus dem
Wohnzimmer stürmte. Erleichtert registrierte sie, dass ihr Mann keine Anstalten
machte, ihnen nachzukommen oder auch nur aufzustehen.
Die verhärmte Frau in der uralten Kittelschürze wurde erst
langsamer, nachdem sie die Tür ganz am Ende des langen Flures erreicht und
geöffnet hatte. Dahinter lag eine steil nach unten und offensichtlich in den
Keller führende Treppe. Eine Neonröhre erwachte mit einigen
Startschwierigkeiten zu kaltem Leben, nachdem sie den Schalter gedrückt hatte,
und anstelle von abgewetzten Läufern und blitzblank poliertem Parkett
klapperten ihre Schuhe nun über nackten Beton. Sie musste an den Heizungskeller
denken, in dem sie Aisler das letzte Mal begegnet war.
»Das war Theresas eigener Wunsch«, sagte die Grauhaarige, während
sie mit etwas langsameren, immer noch hastigen Schritten vor ihr die Treppe
hinab und dann durch einen niedrigen, von einer Neonröhre nur unzureichend
erleuchteten Keller eilte. »Sie hatte ein schönes Zimmer oben unter dem Dach.
Mein Mann hat es selbst ausgebaut. Es ist das gröÃte Zimmer im Haus, mit einem
eigenen Balkon und einem wunderschönen Blick auf den Garten. Aber sie wollte
unbedingt hier herunterziehen. Sie hat gesagt, sie wollte ihr eigenes Reich.«
Conny sagte auch dazu nichts. Nach der geradezu
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