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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aus.«
    Â»Nicht unbedingt«, gestand Conny, »aber ein wenig mit jungen Leuten.
Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich umsehe?«
    Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern begann mit langsamen
Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen und sich dabei umzusehen, ohne dass sie
nach etwas Bestimmtem Ausschau gehalten hätte. Sah man einmal von Tess’
vielleicht nicht ganz so fröhlichem Geschmack ab, was Farben anging, dann wäre
das hier auch als das Zimmer einer ganz normalen Sechzehnjährigen
durchgegangen. An den Wänden hingen zahlreiche Poster und Konzertplakate – wie
sie erwartet hatte, größtenteils aus der Gothic- und Heavy-Metal-Ecke, zu ihrer
Überraschung aber auch ein uraltes Filmplakat von Findet
Nemo  –, eine Handvoll gerahmter Fotos und ein grässlicher Ölschinken,
der den berüchtigten brüllenden Hirsch am Ufer eines Gebirgssees zeigte.
    Neben dem – erstaunlich breiten – Bett stand ein dafür umso winzigerer
Tisch mit einem in einen Aluminiumrahmen gefassten Foto, das Tess und ein etwas
älteres, schlankes Mädchen mit dunklen Augen und ebenfalls schreiend bunt
gefärbtem Haar zeigte. Conny nahm den Rahmen zur Hand und warf der grauhaarigen
Frau einen fragenden Blick zu.
    Â»Ist das Theresas Freundin? Das Mädchen, zu dem sie heute Morgen
wollte?«
    Â»Mirjam, ja.«
    Â»Mirjam und weiter?«, fragte Conny.
    Â»Keine Ahnung«, gestand Marianne Schneider. »Sie haben sich immer … woanders
getroffen. Ich weiß nicht, wo. Vielleicht in dieser schrecklichen Diskothek.«
    Allmählich begann sich Conny zu fragen, was Theresas Mutter überhaupt über ihre Tochter wusste, hob aber nur die
Schultern und stellte das Bild zurück, führte die Bewegung jedoch nicht ganz zu
Ende.
    Â»Darf ich das Foto mitnehmen?«, fragte sie. »Nur leihweise,
selbstverständlich. Sie bekommen es zurück.«
    Â»Natürlich«, sagte die grauhaarige Frau. Conny verstaute das Bild–
um es nicht zu beschädigen, samt Rahmen – in ihrer Handtasche und begann sich
dann weiter im Zimmer umzusehen.
    Auf einem Regal gleich neben der Tür entdeckte sie eine erkennbar
teure Stereoanlage samt einer Sammlung von Hunderten (ausnahmslos selbst
gebrannter) CD s sowie eine überraschend große
Anzahl Bücher. Keinen Fernseher, keinen Computer, dafür aber gleich drei MP 3-Player. Sie überlegte einen kurzen Moment, Tess’
Mutter nach der Herkunft der Geräte zu fragen – sie konnte sich beim besten
Willen nicht vorstellen, dass ihre Eltern sie ihr geschenkt hatten –, entschied
sich dann jedoch dagegen und trat stattdessen an das schmale Bücherregal
daneben. Die Titelauswahl war gänzlich anders als die des anderen Regals, vor
dem sie erst heute Morgen gestanden hatte. Tess’ und Leas Geschmack ähnelten
sich auf verblüffende Art … oder, um genau zu sein, ihre Ziellosigkeit. Hier fand
sie ebenfalls eine – wenn auch deutlich größere – Anzahl von Büchern, die im
Grunde nur eines gemeinsam hatten: dass sie rein gar nichts gemeinsam hatten.
    Bis auf eines.
    Vielleicht.
    Â»Das sind alles Theresas alte Bücher«, sagte die grauhaarige Frau
hinter ihr. Sie klang ein bisschen stolz. »Sie hat immer viel gelesen, schon
als Kind. Und sie hat nie auch nur ein einziges Buch weggeworfen.«
    Conny nahm eines der Bücher vom Regal und begann nachdenklich darin
zu blättern. Es war nur ein schmales Bändchen, schlampig gebunden und auf
billigem Papier und nicht besonders professionell gedruckt, aber mit
zahlreichen Illustrationen und schwarz-weißen Bildern. Das Licht war zu
schlecht, um die blassen Buchstaben zu entziffern.
    Â»Haben Sie Tess dieses Buch gekauft?«, fragte sie.
    Theresas Mutter schüttelte den Kopf. »Nein. Sie hat sich fast alle
ihre Bücher selbst gekauft. Ein paar haben wir ihr zum Geburtstag oder zu
Weihnachten geschenkt, aber die meisten hat sie sich von ihrem Taschengeld
selbst zusammengespart.« Sie kam näher und legte nachdenklich die Stirn in
Falten. »Stimmt irgendetwas damit nicht?«
    Â»Nein, es ist alles in Ordnung«, antwortete Conny hastig.
»Schließlich ist es nur ein Buch. Ich dachte nur, ich …« Hätte
es schon einmal gesehen? Sie war nicht sicher. »Haben Sie etwas dagegen,
wenn ich mir das für eine Weile ausleihe? Sie bekommen es

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