Unheil
atemabschnürenden
SpieÃigkeit, deren Zeuge sie gerade geworden war, konnte sie sich vorstellen,
warum ein Mädchen wie Tess es vorziehen mochte, hier unten zwischen Gerümpel
und Heizungskesseln zu leben, statt in einem ausgebauten Dachstuhl, von dem sie
mutmaÃte, dass die Wände mit Nut- und Federbrettern verkleidet und mit diversen
Heiligenbildchen und Wandteppichen verziert waren. AuÃerdem war sie schlieÃlich
selbst auch einmal sechzehn gewesen, und in diesem Alter war es einfach schick,
im eigenen Partykeller zu wohnen, statt unter dem Dach und vermutlich Tür an
Tür mit dem elterlichen Schlafzimmer.
Und doch war das nicht alles. Hier und in diesem speziellen
Zusammenhang ⦠bedeutete es etwas. Sie wusste nur nicht, was.
Marianne Schneider erreichte eine niedrige, grob aus Brettern
zusammengezimmerte Tür am anderen Ende des Kellers, zog einen Schlüssel aus der
Kitteltasche und fummelte ihn mit einiger Mühe in das offensichtlich
nachträglich eingebaute Schloss.
»Sie hat Ihnen den Schlüssel zu ihrem Zimmer hinterlassen?«,
erkundigte sich Conny.
»Nein«, antwortete die grauhaarige Frau. »Wir haben einen
Zweitschlüssel.«
»Weil das hier unten ja ihr eigenes Reich ist, ich verstehe«,
entfuhr es Conny. Die Worte taten ihr fast sofort wieder leid, und Theresas
Mutter warf ihr auch prompt einen ebenso irritierten wie auch leicht
schuldbewussten Blick über die Schulter hinweg zu, sagte aber nichts, sondern
drehte den Schlüssel um und zog die Tür nach auÃen auf.
Dahinter herrschte vollkommene Dunkelheit. Die Schwärze war so
massiv, das man das Gefühl hatte, sie anfassen zu können, wenn man nur die Hand
ausstreckte. Selbst der Arm der zierlichen Frau schien irgendwie zu
verschwinden, als sie die Wand auf der anderen Seite abtastete und nach dem
Lichtschalter suchte. Ein leises Klicken erscholl, und diesmal war es nicht das
grelle Licht einer Neonlampe, das Connys Augen marterte, sondern der bleiche
Schein von mindestens einem Dutzend, wenn nicht mehr, kleiner Lampen, die
überall im Zimmer verteilt waren.
Ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat sie ein.
Der Anblick überraschte sie. Auf der einen Seite war es ganz genau
der, den sie erwartet hatte, nämlich etwas, was sie auf beunruhigende Weise an
Aislers vollkommen leeres Apartment erinnerte â auch wenn dieser ausgebaute
Keller überraschend groà und durchaus freundlich eingerichtet war â
andererseits war es zugleich ein Bild von beruhigender Normalität. Hier war
ebenfalls die vorherrschende Farbe schwarz, auch wenn Tess nicht so weit
gegangen war, selbst die Decke und den FuÃboden anzustreichen. Sämtliche Möbel
waren schwarz oder doch in einem so dunklen Ton gehalten, dass es in der
Wirkung auf dasselbe hinauslief, und auch die Wände waren dunkel tapeziert.
Aber es gab eine Menge farbiger Poster und Bilder, und auf dem
(selbstverständlich schwarzen) Bett durchbrach eine Sammlung bunter Kissen in
fröhlichen Farben des vorherrschende Einerlei.
Darüber hinaus war dies vollkommen unübersehbar das Zimmer eines
jungen Mädchens oder einer (sehr) jungen Frau. Auch, wenn Tess zweifellos
gerade eine jener zahlreichen Phasen durchlief, in denen sie ihre Eltern
langsam, aber beharrlich zur Verzweiflung trieb, hatte man nicht das Gefühl,
nicht mehr richtig atmen zu können oder gar an einem Ort zu sein, der auf
schreckliche Weise falsch war, wie sie es vor noch
gar nicht so langer Zeit in AislersÂ
Apartment gehabt hatte.
»Ich kann die Jalousien hochziehen«, schlug Marianne Schneider vor,
»dann können Sie besser sehen.«
Conny schüttelte rasch den Kopf. »Schon gut«, sagte sie rasch. »So
ist es mir lieber.« Die grauhaarige Frau blickte fragend, und Conny fügte mit
einem erklärenden Lächeln hinzu: »Ich möchte sehen, wie sie lebt.«
»Es ist schlimm, nicht wahr?«, seufzte Theresas Mutter. »Ich kann
meinen Mann ja verstehen. Mir gefällt es auch nicht. Wenn man bedenkt â¦Â«
Conny unterbrach sie mit einem Lächeln. »Ich glaube nicht, dass Sie
sich Sorgen machen müssen. Das hier ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack
und, ehrlich gesagt, auch nicht meiner, aber es ist auch nicht so schlimm.«
In den Augen der leidgeprüften Frau erschien eine Mischung aus
Hoffnung und beinahe so etwas wie ein Flehen. »Sie kennen sich also mit so
etwas
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