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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schnell?«
    Â»Sie wollte nicht mehr bleiben. Und der Arzt war der Meinung, dass
sie sich schon gut erholt hat. Also hat er ihr erlaubt, nach Hause zu gehen,
wenn sie sich nur einigermaßen schont.«
    Â»Was sie aber nicht getan hat«, vermutete Conny. »Was ist passiert?«
    Â»Wir … wir hatten einen Streit. Einen schlimmen Streit. Er fing schon
im Wagen an, und zu Hause wurde es nur noch schlimmer.«
    Â»Worum ging es?«, erkundigte sich Conny. Ein flüchtiges Lächeln
huschte über ihre Lippen, als sie selbst hörte, wie sehr sich plötzlich ihre
Stimme veränderte, und spürte, wie dasselbe auch mit ihr geschah. Von einer
Sekunde auf die andere waren all diese verrückten Gedanken und sonderbaren
Anwandlungen weg, und sie sprach nicht nur wieder wie eine routinierte
Polizistin, sie war es. Manche Dinge verlernte man
offensichtlich nie.
    Â»Es ging um … um ihre Art«, sagte Marianne Schneider. »Ihre Kleidung
und … und diese verrückte Musik und … und Ihre Freunde. Alles eben. Ich wollte das
nicht. Ich habe mich wirklich beherrscht, glauben Sie mir, aber mein Mann hat
davon angefangen, noch bevor wir im Wagen gesessen haben.«
    Conny sagte nichts dazu, doch aus ihrem flüchtigen Lächeln wurde ein
sehr viel tieferes Stirnrunzeln. Sie kannte Theresas Vater nicht, konnte sich
allerdings lebhaft vorstellen, was passiert war. Eigentlich, wies sie sich
selbst in Gedanken zurecht, hätte sie es sich vorher denken können.
    Â»Sie hat … rumgeschrien und getobt«, fuhr Marianne Schneider fort.
Ihre Stimme schwankte jetzt immer hörbarer. Vermutlich hielt sie nur noch mit
Mühe die Tränen zurück. Conny hörte ein Poltern im Hintergrund, ein Geräusch
wie von einer zuschlagenden Tür, und dann eine zornige Männerstimme, ohne die
Worte verstehen zu können.
    Â»Und dann ist sie weggelaufen«, vermutete sie.
    Â»Ja.« Marianne Schneiders Stimme wurde leiser und sank fast zu einem
Flüstern hinab. »Wir haben sie gesucht, aber wir können sie nicht finden. Mein
Mann wollte die Polizei rufen, dann habe ich mich an Sie erinnert und dass Sie
versprochen haben, uns zu helfen, wenn es sein muss, und … ich …« Ihre Stimme
versagte endgültig.
    Â»Das war ganz in Ordnung so«, versuchte sie Conny zu beruhigen. »Ich
nehme an, Sie haben alle ihre Freunde angerufen oder waren dort?«
    Â»Wir kennen ihre Freunde nicht«, gestand Theresas Mutter.
»Jedenfalls nicht ihre neuen Freunde. Die wenigen, deren Telefonnummern ich
habe, haben seit Monaten nichts mehr von ihr gehört. Ich weiß nicht mehr, was
ich tun soll.«
    Â»Bewahren Sie vor allem Ruhe, Frau Schneider«, empfahl Conny. »Geben
Sie mir Ihre Adresse, und ich komme zu Ihnen. Ich kann einen Kollegen
mitbringen, wenn Sie möchten, aber ich kann auch erst einmal allein kommen.«
    Â»Allein wäre mir lieber«, sagte Theresas Mutter leise.
    Â»Gut. Dann schreibe ich mir jetzt Ihre Adresse auf und bin so
schnell wie möglich bei Ihnen.«
    Sie notierte die Adresse – es war nicht einmal besonders weit, aber
sie musste dreimal nachfragen, weil die Stimme ihrer Anruferin immer leiser
wurde und sie am Schluss tatsächlich nur noch flüsterte–, hängte ein und wollte
sich unverzüglich auf den Weg zur Tür machen, drehte sich dann jedoch noch
einmal um und trat zum zweiten Mal an den Kleiderschrank, um sich umzuziehen.
Als sie die Wohnung verließ, trug sie keine weißen Leinenhosen, Turnschuhe und
weiße Bluse mehr, sondern ein unauffälliges Kostüm … und Sonnenbrille und
Kopftuch, die sie im Hausflur und im Lift zwar ganz bestimmt nicht brauchen
würde, draußen auf der Straße dafür aber wahrscheinlich umso nötiger, wollte
sie nicht erkannt werden und eine Neuauflage des Medienhorrors von vergangener
Woche erleben.
    Falls sie die Straße überhaupt erreichte, hieß das, denn ihr
ungeplanter Ausflug endete schon nach zwei oder drei Schritten, nach denen ihr
einer der beiden Polizeibeamten in den Weg trat.
    Â»Darf ich fragen, wohin Sie wollen, Frau Feisst?«
    Â»Fragen dürfen Sie gern«, antwortete Conny gereizt. »Aber ich muss
nicht antworten, oder?«
    In ihrer Stimme lag ein so feindseliger Klang, dass ihr Gegenüber
nicht nur sichtbar zusammenzuckte, sondern sogar sie selbst ein wenig erschrak.
    Â»Nein, also … natürlich

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