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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zwölf Jahre sind noch nicht um«, antwortete Conny. »Nicht einmal
sechs.«
    Â»Es waren zehn, und mein Name ist nicht Mephisto«, seufzte Vlad.
»Obwohl ich verstehe, was du meinst.« Sein Blick wurde weich. »Du täuschst dich
in mir. Das verletzt mich, aber es schmeichelt mir auch. Ich bin nicht dein
Feind. Ich will nicht deine Seele, weißt du?«
    Â»Und was dann?«, fragte Conny. Sogar sie selbst hörte, wie
schleppend ihre Stimme klang. Sie … wusste einfach nicht, was sie tun sollte.
Wieso war er hier? Wieso ausgerechnet jetzt?
    Â»Du kennst die Antwort auf deine Frage«, sagte Vlad. »Wenn du
endlich über deinen eigenen Schatten springen und ehrlich in dich
hineinlauschen würdest, dann wüsstest du es auch.«
    Â»Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass mein Leben langsam,
aber sicher den Bach runtergeht, seit ich Sie getroffen habe«, sagte Conny
bitter. Sie hatte scharf klingen wollen oder wenigstens vorwurfsvoll,
stattdessen klang es einfach nur wehleidig. Trotzdem fuhr sie fort: »Was wollen
Sie? Mich zwingen, so zu werden wie Sie?«
    Â»Nein«, antwortete Vlad ernst. »Das will ich nicht. Und ich könnte
es nicht einmal, selbst wenn ich es wollte. Du musst dich mir freiwillig
hingeben, aus freien Stücken und ohne Zwang.«
    Â»Freiwillig? Ihnen?« Conny war nicht ganz sicher, was er damit
meinte. Sie wollte es auch nicht wissen. Sie starrte
ihn nur an.
    Â»So sind die Regeln.« Vlad machte eine rasche Geste mit der linken
Hand, die sie aus irgendeinem Grund an eine Spinne erinnerte, als sie
widersprechen wollte. »Aber das gehört nicht hierher. Nicht jetzt. Ich bin
gekommen, um dich zu warnen.«
    Â»Wovor?«, fragte Conny. Wieso stellte sie diese Frage überhaupt? Sie
sprach mit einer Ausgeburt ihrer Phantasie!
    Â»Dein Freund wird zu spät kommen«, antwortete Vlad. Etwas wie ein
unsichtbarer Schatten schien über sein Gesicht zu flackern und war wieder
verschwunden, bevor ihr Blick ihn wirklich erfassen konnte.
    Â»Sie haben sie bereits.«
    Â»Wer? Wer hat … wen?«
    Â»Deine Freundin.« Vlad wirkte ein wenig ungehalten, aber auf eine
sonderbare Art. »Das hätte nicht passieren müssen, weißt du? Ich habe dich
gewarnt.«
    Â»Gewarnt? Wann?«
    Â»Mehr als einmal«, antwortete Vlad. Er klang noch immer auf diese
seltsame Weise traurig und ein bisschen enttäuscht. »Das letzte Mal am Telefon … wenn
ich mich richtig erinnere.«
    Conny hatte keine Ahnung, wovon er sprach. »Am Telefon?«
    Vlad warf einen raschen Blick über die Schulter zurück zu der Tür,
durch die sie gerade die Kapelle betreten hatte, bevor er antwortete. »Hatte
ich dich nicht gebeten, dich um deine Freundin zu kümmern?«
    Â»Meine Freundin?« Conny schüttelte ärgerlich den Kopf. »Aber ich
habe doch …« Dann verstand sie. »Sie haben das Mädchen gemeint? Nicht Sylvia?«
    Â»Diese Frau war niemals deine Freundin«, antwortete Vlad. »Du warst
ihre Freundin und die ihrer Tochter. Das ist ein Unterschied.«
    Seine Worte machten Conny zornig. Sie wollte ihn anschreien, ihn
packen und schütteln, und das so lange, bis er aus dieser Kirche, der Realität
und vor allem ihrem Leben verschwand, doch alles, was sie fertigbrachte, waren
ein schwächliches Kopfschütteln und ein Laut, der sich sogar in ihren eigenen
Ohren nur wie ein kraftloses Seufzen anhörte. Tief in sich, sosehr der Gedanke
auch schmerzte, wusste sie, dass er recht hatte.
    Â»Was wollen Sie?«, murmelte sie.
    Â»Ich gebe dir eine letzte Chance«, antwortete Vlad. Erneut schien
etwas wie ein unsichtbarer Schatten über seine gesamte Erscheinung zu flackern
und verschwand auch jetzt wieder, gerade bevor sie sicher sein konnte, ob sie
ihn wirklich gesehen oder sich nur eingebildet hatte. »Dieses Mädchen und seine
Freundin sind mir vollkommen gleichgültig«, fuhr er fort. »Sie sind jung und
dumm und glauben, ungestraft mit Dingen herumspielen zu können, die gefährlich
sind. Manchmal verbrennt man sich eben, wenn man mit dem Feuer spielt. Aber sie
bedeuten dir etwas. Deshalb werde ich dir sagen, wo du sie finden kannst.«
    Er zog ein Stück Papier hervor und drückte es ihr in die Hand. Sie
hatte Mühe, die winzige, ebenso altertümlich wie gestochen scharf ausgeführte
Handschrift überhaupt zu entziffern. Dann erkannte sie, dass

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