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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mal dazu ansetzte, klingelte das Autotelefon.
    Conny erstarrte und blinzelte das blinkende Display geschlagene drei
Sekunden lang verständnislos an, rührte jedoch keinen Finger, um das Gespräch
anzunehmen.
    Das musste sie auch nicht. Das Telefon klingelte noch zweimal, dann
schaltete sich das Radio ein, und aus den Lautsprechern drang ein gedämpftes
statisches Rauschen; zusammen mit Eichholz’ Stimme, die alles andere als
gedämpft war, sondern vor Zorn bebte, und höchstens ein halbes Dezibel davon
entfernt war, wirklich zu brüllen.
    Â»Frau Feisst! Ich weiß, dass Sie mich hören! Also nehmen Sie
gefälligst ab, bevor ich tue, was ich gleich hätte tun sollen, und den Wagen
und Sie ganz oben auf die Fahndungsliste setze!«
    Conny hatte nicht vor, mit Eichholz zu telefonieren. Sie hätte es
auch gar nicht gekonnt: Das Telefon hatte keinen Hörer, sondern war
offensichtlich mit dem Radio gekoppelt, und sie hatte nicht die leiseste
Ahnung, wie man das Gespräch annahm.
    Â»Ganz, wie Sie wollen«, fuhr Eichholz noch aufgebrachter fort. »Ich
weiß nicht, was diese Aktion bedeuten soll und wohin Sie unterwegs sind, und
ehrlich gesagt interessiert es mich im Augenblick auch nicht. Ich gebe Ihnen
ganz genau drei Minuten, um sich bei mir zu melden. Danach dürfen Sie sich als
die meistgesuchte Person dieser Stadt betrachten.«
    Das war längst noch nicht alles, was er sagte, aber Conny hörte
nicht mehr hin, sondern schnitt dem plärrenden Radio eine Grimasse, stieg
endgültig aus und warf die Tür mit einem Knall hinter sich ins Schloss, der in
dem gemauerten Gewölbe wie ein Kanonenschlag widerhallte.
    Ihre Vernunft meldete sich – vielleicht zum letzten Mal – zu Wort
und versuchte ihr klarzumachen, dass sie gerade dabei war, der Liste
preisverdächtiger Dämlichkeiten, die sie sich in den letzten Tagen geleistet
hatte, die Krone aufzusetzen.
    Und ihr Mut sank noch weiter, als sie erkannte, wie riesig das
Gelände war, das sich auf der anderen Seite des gemauerten Tunnels öffnete. Ein
unregelmäßiges Vieleck von der Größe eines Fußballplatzes, das von einem guten
Dutzend unterschiedlich hoher, ausnahmslos mehrstöckiger Gebäude flankiert
wurde; ehemalige Lager-, Büro- und Produktionsgebäude, die nicht nur alle leer
standen, sondern noch etwas gemein hatten: Sie waren groß .
Selbst eine Hundertschaft hätte vermutlich einen ganzen Tag damit zu tun
gehabt, dieses gewaltige Areal abzusuchen, und sie war ganz und gar nicht
sicher, ob eine solche Suche von Erfolg gekrönt worden wäre. Sie suchte zwei –
mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur gefesselte, sondern auch ruhig
gestellte – Mädchen und den Kerl, der sie gekidnappt hatte und dem ganz gewiss
nicht daran gelegen war, Aufmerksamkeit zu erregen, und das auf einem Gelände,
das groß genug war, um eine komplette römische Legion zu verbergen. Das war
lächerlich.
    Es war allerdings auch alles, was sie tun konnte.
    Sie trat einen halben Schritt aus dem Tunnelgewölbe heraus und
deutlich hastiger sofort wieder zurück, als ihr klar wurde, dass sie praktisch
auf dem Präsentierteller stand, und das noch dazu so gut wie blind. Trotz der
getönten Gläser stach ihr die Sonne mit schmerzhafter Intensität in die Augen,
sodass sie kaum mehr als ineinanderfließende Schemen und scharf abgegrenzte
Bereiche schier unerträglicher Helligkeit sah. Zum zweiten Mal und mit jetzt
fast körperlicher Intensität wurde ihr klar, wie vollkommen sinnlos ihr
Vorhaben war. Sie hatte nicht einmal die Spur einer Chance, die beiden Mädchen
und ihren Entführer zu finden, dafür aber die besten Aussichten, mit dieser
Irrsinnsaktion auch noch den letzten Rest ihrer Karriere im Klo
herunterzuspülen.
    Aber das war nur die eine Seite, das, was ihr ihre Vernunft mit
verzweifelter Stimme beizubringen versuchte. Wahr und doch gleichzeitig
vollkommen irrelevant. Da war plötzlich noch eine andere, ältere Stimme in ihr,
ein lautloses nonverbales Flüstern, das sie an Dinge erinnerte, die sie nie
erlebt hatte und sie zugleich mit einer Zuversicht erfüllte, die sie beinahe
erschreckte.
    Welche Wahl hatte sie schon, als auf diese lautlos-verstörende
Stimme zu hören?
    Zum Beispiel die, es ausnahmsweise einmal mit
Logik zu versuchen, schalt sie sich selbst in Gedanken, schüttelte aber
auch beinahe gleichzeitig über ihre

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