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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sagte er widerwillig. »Aber diskret. Und sehen Sie zu, dass die
Eltern des Mädchens nichts davon mitkriegen. Wir brauchen nicht auch noch eine
hysterische Mutter, die alle fünf Minuten bei uns anruft oder vor laufender
Kamera in Tränen ausbricht.«
    Wir brauchen vor allem nicht noch ein totes
Mädchen, dachte Conny, oder zwei . Aber das
sprach sie vorsichtshalber nicht laut aus.
    Trausch schien noch etwas sagen zu wollen, beließ es dann bei einem – nun eindeutig schuldbewusst wirkenden – Achselzucken und wandte sich
endgültig um, blieb jedoch nach zwei Schritten schon wieder stehen und drehte
sich noch einmal zu ihr um. »Ich kann Sie zu Hause absetzen. Es ist kein großer
Umweg.«
    Â»Das wird nicht nötig sein«, antwortete Eichholz, bevor sie es tun
konnte. »Ich bin hier sowieso bald fertig und kann Kollegin Feisst mit ins
Präsidium nehmen. Das erspart Ihnen einen Weg.«
    Trauschs Augen wurden schmal, aber hinter seinen fast geschlossenen
Liedern blitzte es so kampflustig auf, dass Conny hastig zwischen Eichholz und
ihn trat, um auf diese Weise wenigstens den direkten Blickkontakt zwischen
ihnen zu unterbrechen.
    Trotz allem hatte sie Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, als ihr
plötzlich klar wurde, dass sich die beiden wie konkurrierende Kampfhunde
benahmen, die vielleicht noch nicht um die Rolle des Alphamännchens kämpften,
aber ganz eindeutig ein Auge darauf geworfen hatten.
    Â»Das ist schon in Ordnung«, sagte sie rasch. »Wir sehen uns dann
später im Präsidium.«
    Trausch runzelte zweifelnd die Stirn, und sein Blick verfinsterte
sich beinahe noch mehr. Er war nicht besänftigt, sondern wirkte ganz im
Gegenteil eher noch zorniger, und ganz plötzlich wurde Conny klar, wie
vollkommen falsch sie das Verhältnis zwischen ihm und Eichholz eingeschätzt hatte.
Sie hatte niemals angenommen, dass Trausch und er Freunde waren; oder auch nur
so etwas wie freundschaftliche Kollegen . Aber sie
hatte wie ganz selbstverständlich vorausgesetzt, dass Trausch Eichholz als
Vorgesetzten akzeptierte und vollkommen gefeit gegen so alberne menschliche
Regungen wie Neid oder Missgunst oder auch einfach nur Stolz war. Wenn sie das,
was sie jetzt in seinen Augen las, auch nur ansatzweise richtig deutete, war er
es nicht.
    Seltsam … der Gedanke, dass sich auch hinter Trauschs eiserner
Selbstbeherrschung ein fühlender Mensch verbarg, sollte sie beruhigen, doch das
genaue Gegenteil war der Fall.
    Â»Apropos«, wandte sie sich an Eichholz. »Wann bekomme ich meinen
Wagen zurück?«
    Â»Sobald die KTU damit fertig ist. Sie
wissen doch, wie das läuft. Ein paar Tage werden Sie sich wohl noch gedulden
müssen.« Eichholz lächelte unecht. »Im Augenblick brauchen Sie ihn ja sowieso
nicht. Solange dieser Irre noch frei herumläuft, sollten Sie Ihre Wohnung
besser nicht verlassen. Und in dringenden Fällen lasse ich Sie von einem
Kollegen abholen.«
    Er drehte sich mit einem demonstrativen Stirnrunzeln zu Trausch.
»Gibt es noch irgendeine Unklarheit, Kollege?«
    Trausch wandte sich auf dem Absatz um und ging. Conny fühlte sich
allein gelassen; auf eine Art, die sie nie zuvor kennengelernt hatte und die
sonderbar verstörend war.
    Eichholz wartete, bis Trausch gegangen war und die Tür – deutlich
lauter als notwendig – hinter sich zugeworfen hatte, und ließ auch dann noch
gerade genug Zeit verstreichen, um das Schweigen eindeutig unbehaglich werden
zu lassen. Conny fragte sich, ob das Absicht war. Vermutlich.
    Â»Ich muss Sie noch um ein wenig Geduld bitten«, sagte er
schließlich; mit einem Lächeln, das mindestens genauso unecht wie seine
Wortwahl gestelzt war. »Nur ein paar Minuten. Ich bin gleich fertig.«
    Â»Nur keine Eile«, antwortete Conny. »Ich habe nichts Dringendes
vor.«
    Â»Wenn Sie glauben, dass mir das hier Spaß bereitet, dann täuschen
Sie sich, Kollegin«, sagte Eichholz in hörbar kühlerem Ton. »Sie können draußen
im Wagen auf mich warten, wenn Sie möchten, oder in der Kapelle.«
    Conny fragte sich, ob das ein Rauswurf war, und wenn ja, warum. Aber
sie war in der Stimmung, es als einen solchen zu werten, und so drehte sie sich
auf dem Absatz um und verließ die winzige Leichenhalle, allerdings nicht auf
demselben Weg, auf dem sie gekommen war, sondern durch die einzige andere Tür
im Raum, die vermutlich in die

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