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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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selbst.«
    Â»Wahrscheinlich … haben Sie recht«, antwortete Conny stockend. Sie war
überrascht. Es war das erste Mal, dass Eichholz sie beim Vornamen nannte –
worauf sie keinen Wert legte. Aber das Verständnis in seiner Stimme war echt.
»Das hier ist wahrscheinlich nicht der richtige Ort, um auf andere Gedanken zu
kommen. Ich warte vielleicht doch besser draußen im Wagen.«
    Â»Tun Sie das«, sagte Eichholz. »Ich beeile mich. Ich bin auch nicht
scharf darauf, länger als unbedingt nötig hierzubleiben.«
    Warum sagte sie es ihm eigentlich nicht? Es wäre so einfach. Es
spielte keine Rolle, ob er ihr glaubte, dass Vlad hier gewesen war oder nicht.
Sie hatte die Adresse, und wenn sie die Mädchen dort fanden, dann war alles
andere vollkommen gleichgültig. Aber sie konnte es nicht. Wenn du mit irgendjemandem sprichst, dann werden die Mädchen sterben. Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Kapelle.
    Eichholz’ schwarzer BMW war nur wenige
Schritte entfernt abgestellt; der einzige Wagen, der diesseits der imaginären
Demarkationslinie stand, die ihre Kollegen rings um die kleine Friedhofskapelle
gezogen hatten. Conny nahm auf dem Beifahrersitz Platz und stellte ohne den
Hauch einer Überraschung fest, dass der Schlüssel im Zündschloss steckte.
Selbstverständlich tat er das. Wenn man Eichholz hieß und eine SOKO leitete, dann war man schließlich immun gegen so
weltliche Dinge wie Diebstahl.
    Conny lächelte flüchtig über ihren eigenen Gedanken und öffnete
langsam die Hand, die sie immer noch so krampfhaft zur Faust geballt hatte,
dass sie beinahe gegen ihren eigenen Körper ankämpfen musste, um die Finger zu
öffnen. Der Zettel war zu einem winzigen Ball zusammengedrückt, dessen Anblick
sie an einen Kassiber denken ließ, den man problemlos herunterschlucken konnte,
während sie das Papier behutsam mit den Fingerspitzen glatt strich. Die Schrift
kam ihr noch winziger vor als gerade und durch die unzähligen Knicke und Falten
auf eine fast unheimlich anmutende Weise … lebendig ;
als wären sie in Wahrheit etwas vollkommen anderes, Boten aus einer Realität,
die niemals existiert hatte und die man nur in diese Form gezwängt hatte und
die nun wieder nach ihrer Freiheit trachteten. Die Schrift bewegte sich nicht
wirklich, doch Conny hatte das intensive Gefühl, dass sie es wollte . Sie hatte Mühe, die Buchstaben zu entziffern.
    Wenn du mit irgendjemandem darüber sprichst, sind
die Mädchen tot.
    Aber das musste sie. Was, wenn sie mit niemandem darüber sprach, und
sie fanden später ihrer aller Leichen?
    Das ist verrückt, dachte sie. Der helle Wahnsinn. Sie glättete den Zettel behutsam, legte
ihn vor sich auf das Armaturenbrett und kramte ihre Sonnenbrille aus der
Handtasche, bevor sie hinter das Lenkrad rutschte und den Motor anließ. Das ist vollkommen und komplett irrsinnig.

Kapitel 15
    Sie dachte
immer noch dasselbe, als sie den Wagen eine gute Viertelstunde später in die
Toreinfahrt des verlassenen Industriegebäudes lenkte und den Motor abschaltete.
Es war verrückt; in einer langen Reihe verrückter
Dinge und Dummheiten, die sie in letzter Zeit getan hatte, zweifellos das
Verrückteste und Dümmste. Aber sie hatte keine Wahl. Irgendetwas durch und
durch Grässliches würde passieren, wenn sie nicht
dort hineinging, das wusste sie einfach.
    Das Schlimme war nur, dass sie das nahezu ebenso sichere Gefühl
hatte, dass etwas Fürchterliches geschehen würde, wenn sie
dort hineinging. Irgendetwas … wartete dort drinnen
auf sie. Conny nahm die Sonnenbrille ab und setzte sie hastig wieder auf, als
das Tageslicht wie mit Messern in ihre Augen stach, bevor sie den Schlüssel
abzog und die Hand nach dem Türgriff ausstreckte. Statt die Bewegung jedoch zu
Ende zu führen, beugte sie sich nach rechts, öffnete das Handschuhfach und grub
rasch und ohne besondere Hoffnung in dem Durcheinander aus Papieren, Land- und
Stadtkarten und leeren Verpackungen von Süßigkeiten und Kaugummipapier, das sie
darin fand. Sie hatte die vage Hoffnung gehabt, eine Waffe zu finden oder
wenigstens etwas, was sie als eine solche zweckentfremden konnte. Sie wurde
nicht fündig. Wenn Eichholz überhaupt eine Waffe besaß, so war er jedenfalls
nicht zuvorkommend genug, sie für jedermann zugänglich im Handschuhfach seines
Wagens aufzubewahren
    Als sie zum zweiten

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