Unheil
dem Rahmen gesprengt und verschwand klappernd im
Halbdunkel dahinter, während die Tür aufflog und Conny vom Schwung ihrer
eigenen Bewegung und dem viel geringeren als erwarteten Widerstand nach vorne
gerissen hindurchstolperte und ein paar Sekunden lang mit wild rudernden Armen
um ihr Gleichgewicht kämpfen musste. Das herausgerissene Metallstück rutschte
mit einem nicht enden wollenden, schrillen Kreischen über den gefliesten Boden,
und aus dem sonderbaren Geruch, der sie hierher gelockt hatte, wurde ein
atemberaubender, süÃlicher Gestank, der ihr den Atem zu nehmen drohte.
Mit einem weiteren entschlossenen Schritt fand sie ihr Gleichgewicht
wieder, blinzelte ein paarmal, um ihre Augen an die radikal veränderten
Lichtverhältnisse zu gewöhnen, und sah sich dann aufmerksam um. Sie befand sich
in einem schmalen, wenn auch sehr hohen Flur, der keine Fenster zu haben schien,
dafür aber Wände aus schlierigem, schwarzgrauem Nebel. Erst nach ein paar
Sekunden wurde ihr ihr Irrtum klar: Die Wände waren nur Abtrennungen aus
deckenhohen Glasscheiben, die so hoffnungslos verdreckt waren, dass sie das
hereinfallende Tageslicht nahezu vollkommen absorbierten. Die Luft stank nach
Alter, Schimmel und so durchdringend nach süÃlichem Blut und Tod, dass ihr
beinahe übel wurde. Es war dieser Gestank, der sie in diesen Raum gelockt
hatte, und als wäre dieser Angriff auf ihren Magen allein noch nicht genug,
fühlte sich ihre Phantasie ganz offensichtlich bemüÃigt, das passende Szenario
dazu dreidimensional und in leuchtenden Technicolor-Farben hinter ihrer Stirn
entstehen zu lassen.
Nichts von alledem entsprach der Wahrheit. Conny machte zwei oder
drei weitere Schritte, blieb wieder stehen und presste die Augen zu schmalen
Schlitzen zusammen, um bei der praktisch nicht vorhandenen Beleuchtung sehen zu
können.
Ihr Geruchssinn hatte sie nicht getrogen, ihre Phantasie allerdings
dafür umso mehr. Die Quelle des Gestanks lag jetzt vor ihr, und sie war alles
andere als appetitlich, entpuppte sich dann aber doch als nichts anderes als
eine tote Ratte. Eine wahrhaft gewaltige Ratte, alt und struppig und nahezu so
groà wie eine kleine Katze, mit Zähnen und Krallen, deren bloÃer Anblick
ausreichte, Conny einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen. Dennoch hatte
sie ihren Meister gefunden. Irgendetwas hatte das Tier regelrecht in Stücke
gerissen. Und es konnte noch nicht allzu lange her sein.
Trotz des intensiven Ekelgefühles, das der Anblick in ihr auslöste,
zwang sich Conny, sich in die Hocke sinken zu lassen und den Kadaver des toten
Tieres genauer zu betrachten. Die Ratte lag mit gebrochenem Genick,
aufgerissenem Leib und hervorquellenden Eingeweiden in einer beinahe
metergroÃen Blutlache, von der nicht nur der intensive, süÃliche Gestank
ausging, sondern die auch immer noch gröÃer wurde. Conny konnte die Wärme
spüren, die davon aufstieg. Zu dem Gefühl von Ekel und Furcht in ihrem Inneren
gesellte sich noch etwas, etwas, das sie nicht haben wollte und das sie so sehr
erschreckte, dass sie den Gedanken vertrieb, bevor er auch nur wirklich Gestalt
hinter ihrer Stirn annehmen konnte. Hastig stand sie auf, wich zwei oder drei
Schritte vor dem toten Tier zurück und atmete ein paarmal tief durch den Mund
ein und aus, um den Geschmack nach bitterer Galle loszuwerden, der sich
plötzlich unter ihrer Zunge breitmachte. Sie versuchte, sich in Gedanken zur
Ordnung zu rufen. Gut, etwas hatte diese Ratte getötet, etwas, das sehr viel
stärker und gefährlicher als dieses ganz gewiss alles andere als wehrlose Tier
gewesen war, und was immer auch geschehen sein mochte, dieses kleine Drama
konnte sich erst vor wenigen Minuten hier abgespielt haben. Aber zwischen einem
Tier, das fähig war, einer Ratte das Genick zu brechen, und einem
gemeingefährlichen Serienmörder, der von den Toten wiederauferstanden war, um
sein Unwesen zu treiben, gab es dann doch noch den einen oder anderen
Unterschied. Sie hatte abermals etwas von dem kostbarsten Gut verschenkt, das
sie im Moment hatte: Zeit.
Aber vielleicht auch nicht.
Sie wollte gerade kehrtmachen und wieder zurück nach drauÃen gehen,
als sie die FuÃspur sah. Sie begann direkt in der Blutlache und verschwand
irgendwo in der Dunkelheit dahinter. Es war nicht wirklich eine Spur; kein
FuÃabdruck, den sie als den eines Menschen hätte identifizieren können,
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