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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war einfach
da.«
    Trausch trat so hart auf die Bremse, dass sie in ihrem Sitz nach
vorne geworfen wurde und sich nicht nur instinktiv am Armaturenbrett abstützte,
sondern auch hastig mit der anderen Hand nach dem Sicherheitsgurt griff, um
sich anzuschnallen. »Er war was?«, ächzte er.
    Â»Er war da«, wiederholte Conny. »Ich stand draußen bei der Kapelle,
um auf Eichholz zu warten, und plötzlich war er da. Und er hat mir verraten, wo
ich die Mädchen finde.«
    Trausch starrte sie einfach nur an, und Conny war es unmöglich zu
sagen, ob er wütend, entsetzt oder einfach nur fassungslos war. Vielleicht von
allem etwas. »Und Sie hatten nichts Besseres zu tun, als ihm zu glauben und auf
eigene Faust loszuziehen?«, fragte er schließlich. Jetzt klang er wütend. Und er erwartete anscheinend auch keine Antwort – und möglicherweise
war sie  gut beraten, es gar nicht erst
mit einer zu versuchen –, denn er sprach unmittelbar und mit lauterer und vor
Zorn bebender Stimme weiter: »Verdammt noch mal, allmählich beginne ich mich zu
fragen, ob Eichholz Sie nicht in dem einen oder anderen Punkt richtig
einschätzt! Wieso haben Sie nicht mit ihm gesprochen – oder wenigstens mich
angerufen?«
    Â»Weil er gesagt hat, dass die Mädchen sterben, wenn ich Sie oder
einen anderen Kollegen informiere«, antwortete Conny.
    Aber auch das war anscheinend nicht das, was Trausch hatte hören
wollen, denn sein Gesicht verdüsterte sich nur noch mehr. »Und Ihnen ist nicht
einmal eine Sekunde lang der Gedanke gekommen, dass das eine Falle sein
könnte?«, fauchte er.
    Nein, sie war nicht auf die Idee gekommen, dass
es eine Falle sein könnte, sie hatte gewusst, dass es
eine war. Trotzdem schüttelte sie den Kopf. »Wenn er mir etwas antun wollte,
dann hätte er das schon ein halbes Dutzend Mal gekonnt«, antwortete sie, zwar
mit erstaunlich sicherer Stimme, nichtsdestotrotz aber wider besseres Wissen.
»Warum also sollte er mir eine Falle stellen?«
    Â»Vielleicht, damit genau das passiert, was passiert ist?«, schlug
Trausch vor.
    Â»Was ist denn passiert, Ihrer Meinung nach?«
    Trausch seufzte. Der Zorn verschwand so schnell wieder aus seinem
Blick, wie er darin erschienen war. »Wenn ich nur zwei Minuten später gekommen
wäre, dann hätten Sie diesen Jungen totgeschlagen«, sagte er ernst. »Ich mache
Ihnen keinen Vorwurf, Conny. Ich weiß nicht, was ich an Ihrer Stelle getan
hätte und in dieser Situation. Vielleicht dasselbe. Aber ich weiß, was Sie um ein Haar getan hätten. Haben Sie schon einmal
darüber nachgedacht, dass es vielleicht ganz genau das ist, was dieser Kerl
will?«
    Â»Dass ich diese kleine Ratte umbringe?«
    Â»Dass Sie sich selbst zerstören, Conny«, sagte er ernst. »Sie sind
auf dem besten Weg dazu. Wenn ich nicht gerade noch im letzten Moment gekommen
wäre, dann hätten Sie es vielleicht schon getan.«
    Und natürlich hatte er recht damit, dachte Conny bitter. Vielleicht
nicht mit dem, was er über Vlad gesagt hatte, doch dafür umso mehr, was sie anging. Wäre Trausch auch nur eine einzige Minute
später aufgetaucht, dann hätte sie diesen Jungen
umgebracht … aber das war nicht einmal das Schlimmste. Viel schlimmer als das,
was er gesehen und sie getan hatte, war das, was sie dabei empfunden hatte. Trausch und alle anderen (und sogar sie selbst, so hatte sie es
sich eine Zeit lang mit Erfolg eingeredet) mochten der Meinung sein, dass Conny
einfach die Kontrolle verloren hatte und ausgerastet war … doch das stimmte
nicht. Die Wahrheit war viel schlimmer. Die Wahrheit war: Sie hatte es genossen . Sie hatte nicht die Beherrschung verloren und
diesen armen Jungen in übertriebener Notwehr halb totgeschlagen, sie hatte ihm
wehtun wollen . Die Wahrheit war: Tief in sich
bedauerte sie jetzt noch, ihn nicht getötet zu haben.
    Plötzlich hatte sie Angst vor sich selbst. Vor dem, was Vlad aus ihr
gemacht hatte. Auch in diesem Punkt irrte sich Trausch: Vlad versuchte nicht,
ihr Leben zu zerstören. Er hatte es längst getan.
    Â»Fahren Sie weiter«, bat sie.
    Trausch sah plötzlich noch trauriger aus. Er setzte dazu an, etwas
zu sagen, schüttelte aber dann nur den Kopf und legte mit einem trotzigen
Verziehen der Lippen den Gang ein. Conny streckte nochmals die Hand aus und
schloss das Garagentor hinter ihnen, und diesmal

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