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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Monitor gesehen, als wir
noch in der Tiefgarage waren.«
    Â»Möglicherweise hört er jetzt sogar mit«, fügte Conny mit einer
Kopfbewegung auf das mit Elektronik gespickte Cockpit des BMW hinzu. Sie meinte das nicht ernst, doch Trausch wirkte plötzlich ein bisschen
nervös, sagte keinen Ton mehr, stieg stattdessen hastig aus und eilte zum Tor
zurück, um es zu schließen.
    Conny nutzte die Zeit, um sich unverhohlen neugierig umzusehen. Es
war dunkel hier. Trauschs Haus gehörte zu einem der wenigen in dieser Straße,
deren Vorgärten oder Fassaden nicht beleuchtet waren, und der Himmel hatte sich
in den letzten Minuten bezogen, sodass auch der Mond kein nennenswertes Licht
spendete. Trotzdem konnte sie erstaunlich gut sehen. So lichtempfindlich ihre
Augen im Sonnenlicht auch geworden sein mochten, machten sie dieses Manko doch
durch ein verbessertes Sehvermögen im Dunkeln wieder wett.
    Das Haus hielt, was es von Weitem versprochen hatte: Es war groß,
alt – mindestens hundert Jahre, wenn nicht deutlich mehr – und in
ausgezeichnetem Zustand. Eine Villa, in der man einen Bankdirektor vermuten
würde, einen erfolgreichen Künstler oder einen Manager oder Chefarzt. Aber
einen Polizisten?
    Trausch kam zurück, schloss den Wagen mit dem Schlüssel ab, ohne die
Fernbedienung zu benutzen, und machte eine auffordernde Handbewegung, ihm ins
Haus zu folgen.
    Sie betraten einen schmalen, lang gestreckten Flur, im dem es nach
frischer Farbe und Putzmittel roch, aber auch ein wenig abgestanden. Trausch
schaltete kein Licht ein, sondern bewegte sich mit der Sicherheit eines
Menschen, der sein Leben lang in diesen Räumlichkeiten verbracht hatte, während
er vorauseilte und eine Tür am anderen Ende des langen Flures öffnete. Selbst
Connys verbessertes Sehvermögen versagte hier drinnen. Sie hatte einen
flüchtigen Eindruck von einer hohen, holzvertäfelten Decke gewonnen und von
einer geschwungenen Treppe, die ins Obergeschoss führte, aber mehr auch nicht.
Dennoch reichte schon das wenige, was sie sah, um sie ihre Meinung noch einmal
revidieren zu lassen: Von außen hatte das Haus ausgesehen wie eine Villa. In
seinem Innern war es ein Schloss.
    Trausch öffnete die Tür und schaltete das Licht in dem dahinter
liegenden Raum ein, wodurch er für einen Sekundenbruchteil zu einem flachen und
absurd großen Schatten zu werden schien. »Kommen Sie, Conny.«
    Die vertraute Anrede wurde hier drinnen zu … etwas anderem. Sie wusste
nicht, ob sie es mochte. Dennoch beeilte sie sich, ihm zu folgen, und erlebte
eine weitere Überraschung, als sie an ihm vorbei in ein Zimmer trat, das
deutlich größer war als ihre gesamte Wohnung und schrecklich altmodisch
eingerichtet. Nicht etwa antik, sondern irgendetwas aus den Fünfziger- oder
frühen Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts: Nierentische,
Brokatdeckchen auf den Sitzmöbeln und Tischen und eine dicke, gepolsterte Couch
mit gedrechselten Beinen. Es gab keine beleuchteten Plastiktulpen auf den
Fensterbrettern, aber irgendwie erwartete man sie. Immerhin protzte der Saal mit
einem gewaltigen Kronleuchter, in dem allerdings nur eine Handvoll Glühbirnen
brannten, und einem noch protzigeren offenen Kamin.
    Â»Beeindruckend«, entfuhr es Conny.
    Â»Vor allem für einen Beamten im mittleren Dienst und meiner
Besoldungsgruppe, ich weiß«, bestätigte Trausch. »All diese Fragen habe ich
schon den lieben Kollegen von der Inneren beantwortet, und das Finanzamt hat
alles dreimal durchleuchtet und mich auf Herz und Nieren geprüft. Ich glaube,
ich kann ohne Übertreibung behaupten, dass ich zu den ehrlichsten
Polizeibeamten der Stadt gehöre. Oder jedenfalls zu denen, denen man nichts
nachweisen konnte. Nicht einmal den winzigsten Verdacht.«
    Â»So habe ich das nicht gemeint«, sagte Conny hastig. Trauschs Worte
waren ihr ein bisschen peinlich.
    Â»Ich weiß«, sagte er. »Aber ich möchte nicht, dass Sie sich den Rest
des Abends den Kopf über dieselbe Frage zerbrechen, die sich jeder stellt, der
das hier sieht, also beantworte ich sie gleich, und wir können uns wichtigeren
Dingen zuwenden, einverstanden?«
    Conny nickte zaghaft. Trauschs Worte machten die Situation eher noch
peinlicher, fand sie.
    Â»Ich habe diesen Kasten vor zwölf Jahren geerbt«, fuhr er mit einer
ausholenden Geste fort. »Von einem Onkel, von dessen Existenz ich bislang

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