Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sondern
belebend.
    Und vor allem nach frischem Kaffee. Der Duft ließ ihr das Wasser im
Mund zusammenlaufen.
    Trausch saß an einem an zwei Seiten von deckenhohen
Bücherregalen eingerahmten Tisch und goss gerade in diesem Moment Kaffee aus
einer jener sonderbaren Glaskannen ein, bei denen man das Kaffeepulver mit
einem Sieb von oben durch das Wasser drückt und deren genaues Funktionsprinzip
sie niemals verstanden hatte. Die Bewegung wirkte irgendwie künstlich, und
Conny ging auf, dass er wahrscheinlich mit der Kanne in der Hand auf das
Geräusch der Badezimmertür gelauscht hatte, um genau dann einzuschenken, als
sie hereinkam. Ganz instinktiv fragte sie sich, ob vielleicht jeder einzelne
Schritt, den er bisher in diesem Haus getan hatte, genauso sorgsam inszeniert
gewesen war; und wenn ja, warum.
    Â»Die Sachen stehen Ihnen ausgezeichnet«, sagte er, während er sie
zugleich mit einer einladenden Bewegung mit der freien Hand aufforderte, sich
zu setzen. Es gab nur einen einzigen weiteren Stuhl, direkt ihm gegenüber.
    Â»Und sie passen auch ausgezeichnet. Ihre Frau hat Geschmack.« Conny
nahm Platz, griff nach der Tasse, die er ihr eingeschenkt hatte, und verzog das
Gesicht, nachdem sie den ersten Schluck genommen hatte.
    Â»Zu heiß?«, fragte Trausch ohne einen Hauch von Mitleid.
    Â»Viel zu heiß«, bestätigte Conny, während sie bereits einen zweiten,
allerdings sehr viel vorsichtigeren Schluck zu sich nahm. »Aber deutlich besser
als der im Präsidium. Und sehr viel besser als mein eigener.«
    Â»Das stimmt«, bestätigte Trausch. »Doch dazu gehört ja auch nicht
viel.«
    Conny maß ihn mit einem geschauspielert übertrieben bösen Blick und
nippte zum dritten Mal an ihrer Tasse. Trausch hatte mit allem recht. Trotzdem:
»Zuerst machen Sie meine Wohnung schlecht, und dann mäkeln sie an meinem Kaffee
herum. Was kommt als Nächstes an die Reihe? Meine Frisur?«
    Â»Davon ist im Moment nicht viel zu sehen«, antwortete Trausch ausweichend.
»Aber dieser Turban passt zu Ihnen. Meine Frau hat es auch immer so gemacht,
nach dem Duschen.«
    Â»Ich denke, das machen die meisten Frauen so«, erwiderte Conny. »Ich
selbst eingeschlossen … obwohl ich es eigentlich scheußlich finde.«
    Â»Warum tun Sie es dann?«
    Â»Es ist praktisch. Und man legt sich rasch ein paar dumme
Angewohnheiten zu, wenn man allein lebt und auf niemanden Rücksicht nehmen muss … wie
lange ist Ihre Frau schon fort?«
    Die Intimität dieser Frage erschreckte sie selbst ein bisschen, aber
Trausch schien es nicht übel zu nehmen. Er trank nur selbst einen – winzigen –
Schluck Kaffee und antwortete in ganz selbstverständlichem Ton. »Seit vier
Jahren. Viereinhalb, um genau zu sein.«
    Â»Die übliche Geschichte, nehme ich an?«
    Â»Die übliche Geschichte«, bestätigte Trausch. »Zu viel Arbeit, zu
wenig Zeit, die wir miteinander verbringen konnten, und zu viele Sorgen, die
sie sich angeblich um mich gemacht hat. Polizistenschicksal eben.« Er zuckte
mit den Achseln. »Plus eine vollkommene Inkompatibilität zwischen einem
knurrigen alten Polizisten und einer streitsüchtigen Xanthippe.«
    Conny lächelte pflichtschuldig, aber ihr Blick blieb ernst. »Und
Ihre Kinder?«
    Â»Meine Tochter hat plötzlich ihre Solidarität zu ihrer Mutter
entdeckt, mit der sie sich die sechzehn Jahre zuvor praktisch an einem Stück
gestritten hat, und mein Sohn … die letzte Postkarte kam vor einem halben Jahr
aus Neuguinea … vielleicht auch aus Neuseeland, so genau weiß ich das nicht mehr.
Ist auch völlig egal. Wahrscheinlich treibt er sich mittlerweile in der äußeren
Mongolei herum oder in Pakistan oder auch nur zwei Straßen weiter. Er wird sich
melden, wenn er das möchte.«
    Â»Das tut mir leid«, antwortete Conny. »Ich wusste nichts davon.«
    Â»Ich laufe auch nicht herum und binde es jedem auf die Nase«,
antwortete Trausch leichthin. »Und es muss Ihnen nicht leidtun. Meine Kinder
gehen ihre eigenen Wege, und das ist auch vollkommen in Ordnung. Und meine Frau
war ein Miststück. Wir hätten uns wahrscheinlich schon viel früher getrennt,
wenn ich nicht viel zu beschäftigt gewesen wäre, um überhaupt zu merken, wie
sie wirklich ist.«
    Beim Wort Miststück zuckte Conny ein wenig
zusammen, und allmählich wurde ihr das Thema

Weitere Kostenlose Bücher