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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Phantom und stellte fest, dass es
verschwunden war. Der selbstzerstörerische Teil von ihr, der es erschaffen und
all diesen Schrecken und Wahnsinn heraufbeschworen hatte, begann nachlässig zu
werden. Und warum auch nicht? Er hatte sein Ziel erreicht.
    Müde drehte sich Conny endgültig um, drückte die Klinke und trat mit
steinernem Gesicht auf den Flur hinaus.
    Eichholz hatte ihr nicht gestattet, ihre Sonnenbrille
aufzusetzen, sondern sich darauf hinausgeredet, dass ihre Handtasche zusammen
mit all ihren anderen Sachen schon auf dem Weg ins Labor sei (was eine Lüge
war: Sie hatte sie in der Hand eines der weißen Gespenster gesehen ),und die grausame Sonne, die sich inzwischen schon fast im
Zenit befand, fiel nicht nur wie mit glühenden Messerklingen über ihre Augen
her, sondern schien auch ihr Gesicht zu versengen. Sie spürte ein Brennen auf
Stirn und Wangen; wie einen beginnenden Sonnenbrand. Sie verwandelte sich also
tatsächlich langsam in ein Geschöpf der Nacht.
    Der Gedanke ließ ein ebenso flüchtiges wie humorloses Lächeln auf
ihren Lippen erscheinen, das Eichholz offensichtlich weder verborgen blieb noch
ungerührt ließ, denn er hielt mitten in der Bewegung inne, mit der er einen der
zahlreichen Streifenwagen hatte heranwinken wollen, die die sonst so
beschaulich und still daliegende Straße in ein Chaos aus silberfarbenem und
blauem Lack und blitzenden Lichtern verwandelte, zwischen denen die schwarz
uniformierten Beamten aussahen wie winzige Fische, die in Panik
durcheinanderwuselten und vergeblich versuchten, wieder einen geordneten
Schwarm zu bilden. Alles erschien ihr so … planlos.
    Â»Was ist so komisch?«, wollte er wissen.
    Â»Komisch?«
    Â»Sie lächeln, als wäre Ihnen gerade etwas besonders Lustiges
eingefallen«, bestätigte Eichholz. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich am
Grund Ihrer Erheiterung teilhaben zu lassen?«
    Einen Moment lang zweifelte Conny an seinem Verstand. Hatte er wirklich keine anderen Sorgen? Dann registrierte sie eine
Bewegung aus den Augenwinkeln, sah genauer hin und erkannte ein silberhelles
Aufblitzen hinter einem Dachfenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Sie zwang sich, der feindseligen Helligkeit standzuhalten und war nicht einmal
überrascht festzustellen, dass ihre Augen trotz der plötzlichen
Lichtempfindlichkeit deutlich an Sehschärfe gewonnen hatten. Das Dachfenster
lag im Schatten eines der uralten Bäume, die die Straße flankierten, und sie
erkannte nicht nur deutlich die beiden Gestalten hinter der vermeintlich
blickdichten Gardine, sondern auch die zumindest professionell aussehende
Kamera, die eine von ihnen in den Händen hielt. Die kleine Armee, die Eichholz
aufgeboten hatte, hatte die Straße zwar in beiden Richtungen bis zur nächsten
Kreuzung abgesperrt, aber Journalisten fanden offensichtlich immer einen Weg.
Conny wunderte sich, dass noch keiner von ihnen auf die Idee gekommen war, sich
einen Kranwagen zu chartern, um in aller Ruhe aus der Vogelperspektive seine
Schnappschüsse zu machen.
    Immerhin schienen Eichholz’ Augen zumindest in diesem speziellen
Punkt ebenso scharf zu sein wie ihre. Vielleicht hatte er auch einfach nur ein
Gespür für Öffentlichkeit, dachte Conny; wie ein Raubtier, das seine Beute
schon lange wittert, bevor sie es sieht.
    Oder ein Trüffelschwein.
    Â»Warum sparen Sie sich nicht die Mühe, nach einem Vorwand zu
suchen?«, fragte sie, statt seine Frage zu beantworten. »Lassen Sie mir einfach
wieder Handschellen anlegen – oder tun Sie es selbst. Das ist
öffentlichkeitswirksamer.«
    Eichholz hatte sich gut in der Gewalt, wenn auch nicht so gut, dass
er eine winzige Bewegung in die Richtung hätte unterdrücken können, in der sie
das Aufblitzen gesehen hatte. Sein Gesicht zeigte jedoch keine Regung, als er
antwortete: »Ich halte das dumme Zeug, das Sie gerade reden, ihrer momentanen
Verfassung zugute. Aber Sie sollten meinen guten Willen trotzdem nicht
übermäßig strapazieren.«
    Er belügt dich, flüsterte Vlads Stimme in
ihren Gedanken. Als ob sie seine Warnung gebraucht hätte, um das zu begreifen!
    Eichholz ließ drei weitere Sekunden verstreichen, in denen er sie
mit einem Blick voll perfekt geschauspielertem Mitgefühl musterte, dann deutete
er ein bedauerndes Kopfschütteln an. »Vielleicht sollte ich Sie doch in die
Psychiatrie einweisen lassen.

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