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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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später mit
Ihnen. In meinem Büro. Nur wir beide und in aller Ruhe, das verspreche ich
Ihnen – wenn Sie mir im Gegenzug Ihr Wort geben, halbwegs vernünftig zu sein.«
    Conny verstand nicht genau, was er damit meinte, aber was hatte sie
schon zu verlieren? »Darf ich mich zuerst noch umziehen?«
    Â»Ihre Kleider sind schon im Labor, fürchte ich«, antwortete
Eichholz. »Sie wissen ja, wie das läuft. Ich glaube allerdings kaum, dass
Kollege Trausch etwas dagegen hätte, wenn Sie sich etwas aus seinem
Kleiderschrank ausleihen.«
    Er gab demselben Kollegen, der sie von den Handschellen befreit
hatte, einen Wink, und Conny folgte ihm über den Flur ins Gästezimmer. Der
junge Mann wich ihrem Blick weiter aus, genau wie die anderen Kollegen, denen
sie auf dem kurzen Weg begegnete, und Conny bedauerte ihre eigene Bitte schon,
bevor sie den Raum betrat. Die Tür war – zu ihrer Überraschung – nicht versiegelt,
und auch die Spurensicherung war mit ihrer Arbeit fertig und hatte das Zimmer
geräumt, doch dafür, dass sie sich Spurensicherung nannte, dachte Conny, hatten
die Kollegen selbst eine Menge Spuren hinterlassen, um nicht zu sagen, der Raum
glich einem Schlachtfeld. Ein sonderbarer Geruch hing in der Luft, eine
Mischung aus verschiedenen Chemikalien, Reinigungsbenzin und dem Geruch zu
vieler Menschen, die zu lange hier drinnen gewesen waren; und noch etwas, das
sie zunächst nicht einordnen konnte, bis sie begriff, dass es Trauschs Geruch
war.
    Die Erkenntnis stimmte sie traurig, doch da war auch ein
plötzlicher, tief gehender Schmerz, der sich wie ein weiß glühender Dolch in
ihre Brust bohrte, und es tat nicht nur entsetzlich weh, es machte sie auch
wütend. Noch heute Morgen (vor nicht einmal ganz drei Stunden, um genau zu
sein) hatte sie sich selbst eingestanden, dass sie ihn nicht liebte und es
wahrscheinlich auch niemals tun würde. Aber was geschehen war, wer immer ihr
das angetan hatte, hatte ihr auch jede Chance genommen, dass es vielleicht doch so kommen würde. Auch wenn es nur ein alberner
Kleinmädchentraum gewesen war und er nur wenige Minuten gedauert hatte, es war ihr Traum gewesen, und niemand hatte das Recht, ihn ihr zu
nehmen.
    Ihr Begleiter räusperte sich, und Conny begriff, dass sie seit
mindestens einer Minute dastand und das Bett anstarrte. Von den Spuren der
letzten Nacht war nichts mehr darauf zu sehen. Die Bettwäsche und auch das
Laken waren verschwunden und vermutlich längst auf dem Weg ins Labor, und trotz
der erschreckenden Menge Blut, die sie am Morgen darauf gesehen hatte, war auf
der Matratze nur ein kaum sichtbarer dunkler Fleck zurückgeblieben. Für einen
Moment dachte sie noch einmal daran, was sie in der zurückliegenden Nacht in
diesem Bett getan hatten, und so obszön und unangebracht ihr diese Erinnerung
auch selbst vorkommen mochte, es war ihre letzte Erinnerung an den lebenden Trausch, und sie würde sie verdammt noch mal nicht
aufgeben.
    Ihr Begleiter räusperte sich zum zweiten Mal, und Conny streifte die
quälenden Bilder endgültig ab, trat mit schnellen Schritten an den Schrank und
sah hinein. Er war gründlich durchwühlt worden, das konnte man sehen, obwohl
sich ihre Kollegen alle Mühe gegeben hatten, alles wieder ordentlich zurückzulegen.
Sie sah auch, dass nur Trauschs Kleider darin lagen. Dann fiel ihr etwas ein.
    Â»Im Bad sind noch ein paar Sachen von Trauschs Frau«, sagte sie.
»Ist es in Ordnung, wenn ich mich dort bediene?«
    Â»Selbstverständlich«, sagte er hastig. Etwas machte klick hinter ihrer Stirn, und Conny erinnerte sich, woher
sie sein Gesicht kannte. Er war es gewesen, der ihr die Handschellen angelegt
hatte. Sie sagte nichts dazu, aber er senkte trotzdem so schuldbewusst den
Blick, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und hatte es plötzlich sehr eilig,
vor ihr aus dem Zimmer und quer über den Flur ins Badezimmer zu stürmen.
    Auch Conny hatte das Gefühl, wieder freier atmen zu können, nachdem
sie das Schlafzimmer verlassen hatte. Es war weiß Gott nicht der erste Tatort,
den sie in ihrem Leben sah, aber es war der erste Tatort, der sie persönlich
betraf.
    Selbst im Badezimmer hatten ihre Kollegen ihre Spuren hinterlassen,
wenn auch nicht ganz so schlimm wie in den beiden anderen Zimmern. Dieser Raum
kam ihr kälter und auf sonderbare Weise verändert vor, als hätte ihn jemand
genommen und ein winziges

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