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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Arbeit abnahm, indem sie sich herumwälzte und sich mit einem
Ruck aufsetzte. Eichholz keuchte entsetzt.
    Â»Also, das ist jetzt wirklich ärgerlich«, sagte Vlad, während er
nach seinem Spazierstock griff und ihn stirnrunzelnd begutachtete. Einer der
Reifen musste den Stock erwischt haben. Er war zerbrochen. Wo die untere Hälfte
des Schaftes aus poliertem schwarzen Holz sein sollte, glänzte jetzt der
nackte, bösartige Stahl der Degenklinge.
    Â»Aber was …?«, japste Eichholz. Der Fahrer riss nur die Augen auf und
starrte Vlad an, der seinerseits den zerbrochenen Stock noch einen Moment lang
betrachtete, bevor er die Klinge mit einer bedächtigen Bewegung aus der
zerstörten Umhüllung zog und sie ihm, ohne die geringste Hast, regelrecht
gemächlich, dicht unterhalb des Herzens in den Leib trieb.
    Â»Nein«, hauchte Conny. Und dann, praktisch im gleichen Atemzug und
so laut sie konnte, schrie sie noch einmal: »Nein! Tun Sie
das nicht!«
    Vlad fing den Körper des zusammenbrechenden Polizisten in der
gleichen, zugleich ungemein kompliziert wie spielerisch wirkenden Bewegung auf,
in der er die Degenklinge aus seiner Brust zog und sich erhob. Eine Frau begann
zu kreischen, und zwei oder drei der Passanten, die herbeigeeilt waren, um dem
vermeintlichen Unfallopfer zu helfen, erstarrten, aber die meisten ergriffen
sofort die Flucht. Motoren heulten auf und Wagen schossen mit kreischenden
Reifen davon.
    Eichholz stand einfach da und glotzte, aber der zweite Polizist
griff blitzschnell nach seiner Waffe und versuchte sie auf Vlad zu richten, und
wahrscheinlich wäre es ihm gelungen, hätte Conny nicht ebenso schnell von
hinten den Arm um seinen Hals geschlungen und seinen Kopf mit einem harten Ruck
nach hinten gerissen, der ihm das Bewusstsein raubte.
    Â»Was zur Hölle tun Sie da?«, keuchte Eichholz. Dann blitzte ein
wilder Triumph in seinen Augen auf. »Also doch! Ich wusste, dass …«
    Vlad schlug ihm den Handrücken mit solcher Wucht ins Gesicht, dass
Eichholz gegen die Wand des Wagens geschleudert wurde und benommen auf der Bank
zusammensackte. Die blutige Klinge in seiner Hand schwenkte herum und richtete
sich auf Eichholz’ Kehle, und Conny fiel ihm mit einer hastigen Bewegung in den
Arm.
    Â»Nicht!«, flehte sie. »Töten Sie ihn nicht … bitte!«
    Ihre Blicke trafen sich, und für die unendlich kurze Zeit, die ein
Gedanke braucht, um zu entstehen und wieder zu vergehen, sah sie nichts als
Verachtung in seinen Augen, die dann einer fast väterlichen Güte Platz machte.
Statt Eichholz die Klinge in den Hals zu rammen, wischte er den blutigen Stahl
an seinem Mantel ab und schüttelte den Kopf.
    Â»Du bist einfach zu weich«, sagte er gleichermaßen resignierend wie
amüsiert. »Den Schlag war ich ihm schuldig. Schon deinetwegen.«
    Conny blickte fragend, und Vlad schob die Klinge in den zerbrochenen
Rest ihrer Umhüllung zurück.
    Â»Hören Sie auf«, flehte Conny. Ihr Blick wanderte über den
verblutenden Polizisten draußen auf der Straße, seinen bewusstlosen Kollegen
und Eichholz, so benommen, dass es ihm nicht einmal gelang, sich wieder in die
Höhe zu stemmen.
    Â»Ja, ich verstehe«, seufzte Vlad. Er wandte sich um, kniete neben
dem verletzten Beamten nieder und tat irgendetwas, das Conny nicht erkennen
konnte. Ringsum brach endgültig Panik aus, und die Resignation in seinem Blick
war gewachsen, als Vlad zurückkam.
    Â»Er wird es überleben. Auch wenn du das möglicherweise noch bitter
bereuen wirst.« Er hob die Hand, als Conny etwas sagen wollte. »Das ist jetzt
nicht der richtige Zeitpunkt. Sosehr ich es auch genieße, mit dir zu plaudern,
fürchte ich doch, dass deine Zeit allmählich knapp wird.«
    Er machte eine ausholende Handbewegung. Die Straße war mittlerweile
wie leer gefegt. Aber auch das entfernte Wimmern einer Sirene war noch immer zu
hören. Und nun kam sie näher.
    Â»Warum tun Sie mir das an?«, flüsterte sie.
    Vlad schüttelte den Kopf. »Du warst es, die mich gerufen hat.« Er
wiederholte seine abwehrende Geste. »Auch dafür ist jetzt keine Zeit, meine
Liebe. Du musst dich entscheiden, Conny. Jetzt. Willst du auf deine Kollegen
warten und aufgeben, oder hast du den Mut, dir selbst gegenüberzutreten? Die
Wahrheit ist manchmal schwer zu ertragen.«
    Conny verstand nicht, wovon er überhaupt sprach, und Vlad

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