Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
völlig
zurückhalten konnte, und trotzdem erschien jetzt ein böser, lodernder Triumph
darin. Süßlicher Leichengestank hüllte sie ein, und irgendetwas warnte sie;
vielleicht Eichholz’ erschrockenes Zusammenfahren oder die Mischung aus
Unglauben und blankem Entsetzen, die plötzlich auf seinem Gesicht erschien.
Vielleicht war es auch eine Bewegung aus den Augenwinkeln, die sie nicht
bewusst wahrnahm, oder ihr geschärfter Instinkt – es ließ sie herumfahren und
sich ducken und aus der gleichen Bewegung heraus nach ihrer Waffe greifen.
    Beinahe wäre ihr das sogar gelungen.
    Die eiserne Raubvogelklaue verfehlte ihren Hals, schlitzte
den Pullover über ihrer rechten Schulter auf und zerfetzte auch den Ärmel fast
bis zum Ellbogen hinab, ohne die Haut darunter zu berühren, und Conny
verzichtete darauf, die Waffe zu ziehen, und riss den Arm stattdessen zurück,
als die Kralle ihren Weg fortsetzte, um ihren Unterarm und die Hand
aufzureißen. Ein Schatten, riesig und nach süßem Tod stinkend, wuchs hinter ihr
empor, und das enttäuschte Knurren, mit dem er seinen fehlgeschlagenen Angriff
begleitete, ging beinahe in den triumphierenden Schreien der beiden Jungen
unter. Alles geschah gleichzeitig, die Welt verwandelte sich in einen Albtraum,
in dem der Unterschied zwischen Normalität und Wahnsinn nicht mehr existierte,
und Conny konnte nicht mehr denken, nicht mehr rational, sondern nur noch
instinktiv reagieren. Und sie tat instinktiv das Falsche.
    Statt sich sofort auf ihren Gegner zu stürzen und die Reichweite
seiner fürchterlichen Waffe damit zu unterlaufen, machte sie einen ungeschickt
stolpernden Schritt zurück und hätte vor Entsetzen beinahe laut aufgeschrien,
als sich ein schmaler, erstaunlich starker Arm von hinten um ihren Hals schlang
und sie mit einem so harten Ruck zurückriss, dass sie das Gleichgewicht verlor
und schwer gegen Michael stürzte. Dem Jungen trieb der Aufprall zwar die Luft
aus den Lungen, sodass sein triumphierendes Gebrüll zu einem überraschten
Krächzen wurde, er ließ sie aber trotzdem nicht los, sondern verstärkte seinen
Griff noch. Sein Kumpan erwachte schlagartig aus seiner Erstarrung, fuhr herum
und hämmerte ihr die Faust in den Leib. Die Übelkeit in ihrem Magen explodierte
zu einer Woge aus gleißendem Schmerz; diesmal ihrem eigenen, der weniger
erquicklich war als der der anderen. Conny trat blindlings zu, spürte, wie sein
Knie unter dem Absatz ihres Turnschuhs brach und er mit hilflos rudernden Armen
und vor Qual brüllend zurücktaumelte; und als sie fiel, begriff sie im gleichen
Sekundenbruchteil, dass das vielleicht ihr letzter Fehler gewesen war, denn
Aisler, der zum zweiten Mal von den Toten zurückgekehrt war, um sich an ihr zu
rächen, fuhr zugleich mit einem abermaligen und noch wütenderen Knurren herum
und schwang seine Eisenklaue zu einem tödlichen Hieb. Diesmal würde er sie
nicht verfehlen.
    Eichholz brüllte auf, warf sich mit weit ausgebreiteten Armen gegen
ihn und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Sein Anprall reichte nicht, den in
zerrissenes schwarzes Leder gehüllten Riesen zu Boden zu reißen, doch Aisler
(es war Aisler, begriff sie voller Entsetzen. Es war sein Gesicht, verbrüht und zerschnitten und nur noch eine
Maske aus fauligen Fleischfetzen, die sich voneinander zu lösen begannen, aber
es war ganz eindeutig sein Gesicht!) stolperte einen
weiteren Schritt zurück, fing Eichholz’ ungeschickt gezielten Faustschlag mit
dem Unterarm ab und rammte ihm aus der gleichen Bewegung heraus die Spitzen
seiner eisernen Kralle in die Schulter. Eichholz brüllte wieder, diesmal vor
Schmerz, taumelte zurück und brach in die Knie. Blut sprudelte in einem
hellroten, erschreckend heftigen Strom zwischen den Fingern seiner Hand hervor,
die er gegen die Schulter geschlagen hatte.
    Etwas in ihr – nicht ihr Bewusstsein, sondern etwas Älteres und
ungleich Mächtigeres – begriff endgültig, dass sie sterben würde, wenn sie
nichts tat, und übernahm kurzerhand die Kontrolle über ihr Handeln. Conny warf
den Oberkörper herum, ohne auf den würgenden Griff an ihrem Hals zu achten,
rammte Mike den Ellbogen ins Gesicht und wurde mit einem befriedigenden
Knirschen und einem Schwall sprudelnder Wärme belohnt, der sich über ihren Arm
und die Schulter ergoss, riss sich aber auch sofort los und stürzte sich auf
Aisler. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher