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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Angriff war nur wenig geschickter als Eichholz’ ungestümer Hieb, und
Aisler war unglaublich schnell, als er herumfuhr und
den Arm hochriss, um sie abzufangen. Er war nicht in der richtigen Position, um
seine fürchterliche Waffe einzusetzen, und Conny blieb keine Zeit, um ihre
eigene zu ziehen, sodass sie im Grunde wenig mehr tat, als ihn zu rammen. Ihr
bloßer Aufprall reichte jedoch, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und
haltlos einen Schritt nach hinten und gegen die Wand aus Pappkartons stolpern
zu lassen. Ein Teil davon brach zusammen und stürzte auf Conny und ihn herab,
und obwohl sie zum Großteil leer oder doch wenigstens so gut wie gewichtslos
waren, trennte das plötzliche Bombardement sie nicht nur voneinander, sondern
ließ sie auch in entgegengesetzte Richtungen auseinanderstolpern. Aisler stieß
ein wütendes Knurren aus, zerfetzte einen leeren Karton mit seiner Klaue und
wollte sich mit hochgerissenem Arm auf sie stürzen, prallte dann zurück, als
Conny die Pistole aus dem Hosenbund zerrte und auf ihn anlegte. Sie hatte eine
Chance, ihn zu erwischen; vielleicht den Bruchteil einer Sekunde nur, aber sie hatte ihn im Visier, und so kurz die Zeit auch war, sie
hätte gereicht, um abzudrücken … doch zu ihrer eigenen Verblüffung zögerte sie,
und als sie ihre Hemmungen überwunden hatte, war es zu spät. Aisler war längst
auf dem Absatz herumgefahren und stürzte davon.
    Conny schluckte einen Fluch herunter, gewann endlich auch
ihr Gleichgewicht zurück und hetzte mit weit ausgreifenden Schritten hinter ihm
her. Mike versuchte nach ihr zu greifen. Conny spürte einen kurzen, harten Ruck
an der Wade und hörte einen schrillen Schmerzensschrei, als ihn seine eigene
Reaktion zwei oder drei Fingernägel kostete, die einfach abgerissen wurden und
davonflogen. Ein neuer, scharfer Schmerz blitzte irgendwo am Rande ihres
Bewusstseins auf, während er sich wimmernd auf dem Boden krümmte und die
blutende Hand an den Leib presste, doch sie achtete nicht darauf, sondern war
mit einem einzigen Satz hinter Aisler her und schon halbwegs aus der Box
heraus.
    Natürlich erwartete er sie. Conny hatte damit gerechnet und fing die
Tür, die er ihr ins Gesicht zu schlagen versuchte, ab. Gleichzeitig duckte sie
sich und feuerte blindlings auf den riesigen Schatten, der plötzlich vor ihr
aufragte.
    Sie spürte selbst, dass sie nicht traf, aber der Schuss ließ ihn
zurückprallen. Seine Eisenkralle hämmerte Funken sprühend in den Maschendraht
neben ihrer Schulter und verfing sich in dem zähen Metallgeflecht; nur einen
Moment, bevor es ihm gelang, sich mit einem wütenden Knurren loszureißen, doch
so kurz diese Zeit auch gewesen sein mochte, sie reichte Conny, die Tür
aufzustoßen und auf ihn loszugehen. Ihre Hand umklammerte sein Gelenk und
presste seine Eisenklaue mit einer Gewalt gegen das Gitter, der er nichts
entgegenzusetzen hatte. Zugleich rammte sie ihm den Pistolenlauf mit solcher
Wucht in den Leib, dass er sich krümmte und wie ein Fisch auf dem Trockenen
nach Luft japste. Offensichtlich brauchten auch von den Toten Zurückgekommene
Sauerstoff zum Atmen.
    Sie hätte abdrücken können, eine winzige Bewegung des Zeigefingers
nur, und es wäre vorbei gewesen, ein für alle Mal, und noch vor ein paar
Stunden hätte sie es getan, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern … doch jetzt konnte sie es nicht mehr. Alles in ihr sträubte sich dagegen, diesen
Kerl einfach zu erschießen, wie er es verdient hatte. Sie würde ihn töten,
jetzt und hier, aber nicht mit einer Waffe, sondern auf die einzig richtige
Art, mit bloßen Händen.
    Als er zusammenklappte, riss sie die Waffe hoch und schmetterte ihm
den Lauf unter das Kinn. Ein trockenes Knacken erklang, und Aisler schien nun
doch wieder Luft zu bekommen, denn er stieß ein schrilles Kreischen aus,
taumelte und fiel schwer auf den Rücken, als Conny seine Hand losließ. Blut
lief über sein Kinn und seinen Hals und verschmolz mit dem schwarzen Leder
seiner Kleidung, und als er sich stöhnend aufzusetzen versuchte, bemerkte sie,
dass sein ganzes Gesicht verschoben wirkte, als hätte ihr Hieb es halb vom
Schädel gelöst.
    Und genau das war auch der Fall.
    Die Erkenntnis, wie simpel (also gut, ja, und zugleich auch durch
und durch entsetzlich) die Lösung dieses vermeintlich übernatürlichen Rätsels
war,

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