Unheil
ein Gesicht, als hätte sie etwas furchtbar Dummes
gefragt, würdigte sie aber noch immer keiner Antwort, sondern sah stattdessen
auf die Armbanduhr. Als er schlieÃlich sprach, galten seine Worte der Allgemeinheit,
nicht ihr. Irgendwie hatte sie das Gefühl, ganz besonders nicht ihr. »Also gut, Sie wissen alle Bescheid. Das SEK ist bereits im Haus und sichert den Keller und die Tiefgarage. Die beiden
benachbarten Gebäude werden gerade evakuiert, so weit das unauffällig möglich
ist, und sämtliche StraÃen im Umkreis von anderthalb Kilometern sind
abgeriegelt. Wir warten nur noch auf das SEK , und
dann schnappen wir uns den Mistkerl. Und nur, um es noch einmal und in aller
Deutlichkeit zu sagen: Ich will keine Heldentaten, keine Alleingänge und keine Unfälle , verstanden? Ich weià genauso gut wie Sie, was die
Presse und die sogenannte öffentliche Meinung über dieses Ungeheuer da drinnen
sagt. Aber glauben Sie mir, dieselben Leute werden uns ans Kreuz nageln, wenn
sich dieser Mistkerl auch nur einen Fingernagel abbricht und wir nicht
haarklein beweisen können, dass wir alles versucht haben, um es zu verhindern.«
Niemand antwortete, und auch Conny nickte nur stumm. So albern und
überflüssig Eichholzâ Worte einem AuÃenstehenden vielleicht auch vorkommen
mochten, in diesem Moment waren sie vermutlich nötig. Es hatte nichts mit der
öffentlichen Meinung oder der Presse zu tun. Keiner von ihnen hatte die
Gesichter der acht Mädchen vergessen, die der Kerl umgebracht hatte. Und er
hatte eine von ihnen angegriffen und um ein Haar ebenfalls getötet. Es spielte
keine Rolle, dass Eichholz sie nicht leiden konnte und ein Gutteil ihrer
sogenannten Kollegen schon allein darum Abstand zu ihr hielt; sie war eine von
ihnen, eine Polizistin. Niemand brachte einen Polizisten um.
Wenigstens niemand, der noch ein paar seiner fünf Sinne
beisammenhatte.
»Und worauf warten wir noch?«, fragte sie.
Eichholz funkelte sie nur noch feindseliger an und sah wieder auf
seine Armbanduhr, statt zu antworten, doch ihr Computer lieà einen leisen,
melodischen Glockenton hören, und auf dem Bildschirm erschien ein stilisierter
Briefumschlag.
»Sieht so aus, als hätten Sie eine E -Mail
bekommen«, sagte Eichholz. »Wollen Sie sie nicht abrufen?«
»Hier?«, fragte Conny ungläubig.
»Das Sonnenstudio ist ein Hot Spot«, erklärte Trausch. »Bis vor
einem halben Jahr war es ein Internet-Café, aber es ist wohl nicht gelaufen.«
»Wahrscheinlich nicht die richtige Gegend dafür«, sagte Eichholz.
»Na los, öffnen Sie schon die Nachricht!«
Conny wollte ihm schon raten, es gefälligst selbst zu tun, wo er
doch ihren Laptop benutzte und das Passwort ja auch schon kannte, aber dann
trat sie stattdessen gehorsam neben ihn und klickte den Briefumschlag an. Er
faltete sich mit einem hörbaren Knistern auseinander. Diesmal kam jedoch kein
Brief zutage, sondern eine Art Grundriss. Conny wollte sich neugierig
vorbeugen, wurde von Eichholz aber einfach zur Seite geschoben.
»Das scheint ein Grundriss des Hauses zu sein«, sagte er. »Die
vierte Etage. Dann fehlt uns nur noch die richtige Wohnung.« Er tippte auf die
entsprechende Zeile in der Beschreibung des Plans und sah Conny fragend an,
doch sie konnte nur mit den Achseln zucken. Sie wusste so wenig wie er, was
dieser Plan wirklich bedeutete. Oder wo er herkam.
»Gut«, sagte er. »Dann gehen wir in alle Wohnungen. Gleichzeitig.«
»Das sind vierzehn Appartements«, gab Trausch zu bedenken.
»Ich weiÃ.« Eichholz sah einen ganz kurzen Moment lang zweifelnd
aus, nickte aber dann nur noch einmal. »Wir haben keine Wahl. Ich kann nicht
riskieren, dass der Mistkerl entkommt oder am Ende noch Geiseln nimmt. Trausch â wir brauchen mehr Leute. Mindestens noch zwei SEK -Einheiten
und eine Hundertschaft von der Trachtentruppe. Und das Ganze schnell, bevor die
Presse Wind davon bekommt und dieser Mistkerl unsere Vorbereitungen im
Fernsehen beobachtet. Und ab! « Er klatschte in die
Hände, und die Männer und Frauen eilten zu ihren Wagen. Conny wollte sich
Trausch anschlieÃen, wurde jedoch von Eichholz mit einer unwilligen Geste
zurückgehalten. »Sie fahren mit mir.«
Er deutete auf den Sprinter, den Conny bisher für einen getarnten SEK -Transporter gehalten hatte. Als Conny dicht hinter
ihm einstieg, entpuppte er sich als etwas,
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