Unheil
sich weder die Mühe gemacht, das Blaulicht aufs Dach zu
stellen, noch die Sirene einzuschalten.
»Also?«
Trausch wirkte fast unglücklich, aber seine Antwort fiel vollkommen
anders aus, als sie erwartet hatte. »Bevor Sie jetzt ausrasten und alles noch
viel schlimmer machen, indem Sie auf Ihren Rechten herumreiten oder den
Datenschutz zitieren, sollten Sie sich lieber eine gute Antwort auf die Frage
überlegen, die Eichholz Ihnen garantiert gleich stellen wird.«
»Eichholz? Er weiÃ, dass Sie mich abholen?«
»Er hat mich geschickt«, antwortete Trausch. »Was dachten Sie denn?
Und er ist nicht besonders guter Laune, das kann ich Ihnen sagen.«
Wann wäre er das je gewesen? , dachte
Conny. »Ich reite nicht auf meinen Rechten herum«, sagte sie mit erzwungen
ruhiger Stimme. »Ich frage mich lediglich, seit wann Eichholz meinen privaten E -Mail-Verkehr liest. Und wer ihm das Recht dazu gibt.«
Sie sagte bewusst Eichholz , um ihn auf diese Weise
aus der Verantwortung zu nehmen; obwohl sie längst nicht mehr sicher war, dass
das wirklich stimmte. Aber wenn er diese goldene Brücke überhaupt sah, betrat
er sie nicht.
»Seit wir uns fragen, was Sie wirklich mit
diesem Kerl zu tun haben«, antwortete er ernst. Diesmal kam er ihr zuvor, als
sie auffahren wollte. »Wir haben den Absender gecheckt. Er ist nicht
herauszufinden, genau wie bei der ersten Mail, die Sie bekommen haben. Wer ist
der Kerl, Conny, und was haben Sie mit ihm zu tun?«
»Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich ihn kenne?«, fragte sie.
Trausch seufzte. Er wirkte enttäuscht. »Weil Sie mit ihm gesprochen
haben.«
»Das ist â¦Â«
»Ihr kleiner Freund aus dem Trash war sehr
redselig«, fuhr Trausch ungerührt fort. »Keine Sorge â Eichholz weià nichts
davon. Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass das noch lange so bleibt.
Sie wissen, wie Eichholz ist. Wenn er einmal Blut geleckt hat, gibt er so
schnell nicht auf.«
Conny hätte den Vergleich mit einer Ratte passender gefunden, die
einfach nicht mehr loslassen konnte, wenn sie sich einmal in etwas verbissen
hatte. Aber sie verstand, was er meinte..
»Ich weià es nicht«, sagte sie. »Er hat nur ein paar Sätze mit mir
geredet.«
» Er hat Ihnen gesagt, wer der Vampir ist«,
vermutete Trausch.
Conny nickte. »Und dann ist er verschwunden.«
Trausch seufzte erneut, und noch tiefer. »Und warum zum Teufel haben
Sie nichts davon gesagt?«, fragte er, in sehr viel mehr resignierendem als
vorwurfsvollem Ton. Genau dieselbe Frage stellte sich Conny auch, und das seit
gestern. Im ersten Moment, als sie sich selbst â fast überrascht â dabei
ertappt hatte, ihre Begegnung mit Vlad zu verschweigen oder doch wenigstens
herunterzuspielen, hatte sie es auf ihre eigene Aufregung geschoben und den Schock,
den sie erlitten hatte. Aber seither hätte es hundert Gelegenheiten gegeben,
dieses Versäumnis nachzuholen. Sie ⦠wusste einfach nicht, warum
sie keine einzige davon ergriffen hatte.
»Ich weià es nicht«, gestand sie. »Zuerst habe ich es einfach
vergessen. Und dann â¦Â« Sie hob unglücklich die Schultern, und Trausch seufzte
zum dritten Mal, und noch tiefer.
»Dann ist Ihnen aufgegangen, dass Sie einen Fehler gemacht haben,
und statt es zuzugeben, haben Sie versucht, die Sache irgendwie zu vertuschen,
oder nicht? Eine kleine Korrektur hier, ein winzige Unwahrheit da â¦Â« Er sah sie
durchdringend an. »Kommt Ihnen dieses Verhaltensmuster irgendwie bekannt vor?«
Natürlich tat es das. Sie hatte es unzählige Male erlebt, bisher
allerdings immer von der anderen Seite des Tisches aus. Vor ihr hatten tausend
arme Sünder gesessen, die sich von einer Lüge zur anderen zu hangeln versuchten
und sich dabei in einem Gewirr von Widersprüchen verstrickten. Wie hatte sie
nur so dämlich sein können?
»Sie wissen schon, was jetzt passiert, oder?«, fragte Trausch. Conny
schwieg, und er fuhr fort: »Das Mindeste, was Eichholz jetzt glauben muss ist,
dass Sie versucht haben, einen Alleingang zu starten und am Schluss als
strahlende Heldin dazustehen.«
»Das Mindeste?«
»Wenn Sie Glück haben.«
»Und wenn nicht?«
Trausch schnaubte. »So naiv sind Sie doch nicht, Conny! Was soll
Eichholz wohl glauben? Sie kennen den Kerl. Sie
wissen, wie er aussieht, und Sie haben mit ihm gesprochen, ohne
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