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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wie sich ihre Hände so fest zu Fäusten ballten, dass
sich ihre Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen gruben. Sie war so wenig
imstande, irgendetwas gegen die Bewegung zu tun, wie es ihr möglich war, ihren
Blick von diesen schrecklichen schwarzen Augen zu lösen. Alles drehte sich um
sie, und plötzlich wurde ihr klar, dass diese Augen nicht nur zufällig in
Richtung der Kamera blickten. Eichholz und alle anderen mochten das glauben.
Sie mochten sogar annehmen, dass Aisler den Scharfschützen im
gegenüberliegenden Fenster entdeckt hatte und direkt in die Kamera sah, aber
Conny wusste, dass das nicht stimmte. Er sah nicht die Kamera an. Er wusste,
dass sie da war, und er starrte sie an!
    Die Zeit lief weiter. Eichholz schlug mit der flachen Hand
auf den Tisch, dass es klatschte, und brüllte: » Zugriff!«, und
auf den drei anderen Monitoren brach im nächsten Sekundenbruchteil das Chaos
aus. Zwei der drei Bildschirme zeigten weiter den Hausflur, auf dem die SEK -Beamten die Tür des betreffenden Appartements
stürmten und so schnell einschlugen, dass man es nicht einmal wirklich sah. Die
dritte Aufnahme stammte offensichtlich von der Helmkamera des Mannes, der als
Erster durch die aufgebrochene Tür stürmte. Bewegung und Farben stürzten so
schnell durcheinander, dass das Bild beim bloßen Hinsehen schon Schwindel
erzeugte. Alles ging irrsinnig schnell. Die Männer brauchten nicht einmal annähernd die drei Sekunden, die Eichholz ihnen zugebilligt
hatte, um das Appartement zu stürmen.
    Conny sah kaum hin. Sie versuchte es, aber es gelang ihr einfach
nicht, sich aus dem Bann dieser unheimlichen Augen zu lösen. Ihr Verstand
versuchte vergebens, ihr klarzumachen, dass sie nichts als eine Aufzeichnung
sah, ein auf Festplatte gespeichertes Bild, in dem nicht das geringste Leben
war. Diese Augen starrten sie an, und es war irgendetwas in diesem Blick, das
sie an der tiefsten Stelle ihrer Seele zu berühren schien und sie zum Erschauern
brachte. Vielleicht war sie bisher der Meinung gewesen, es wäre die
abgrundtiefe Bosheit, die sie darin las, aber plötzlich begriff Conny, dass das
genaue Gegenteil der Fall war. In diesen Augen war überhaupt kein Leben. Es
war, als blicke sie in die Augen eines Toten.
    Â»Was soll das heißen?«, fauchte Eichholz neben ihr. Er richtete sich
kerzengerade in seinem Stuhl auf. »Was heißt hier nicht da?«
    Conny fuhr ebenso erschrocken wie die beiden Techniker zu ihm herum,
und während sie es tat, blieb ihr Blick an dem fünften Bildschirm hängen, der
noch immer die Außenansicht des Hauses zeigte. Sie hatte das Gefühl, eine
Bewegung darauf wahrzunehmen; nicht mehr als das rasche Flackern eines
Schattens, der erlosch, noch bevor er ganz Gestalt annehmen konnte.
    Â»Was soll das heißen, es ist niemand da?«, wiederholte Eichholz
aufgebracht. Er war ganz aufgesprungen und hatte die Hand gegen den winzigen
Funkempfänger in seinem Ohr geschlagen. »Das ist vollkommen unmög …« Er brach
ab, nahm die Hand herunter und wurde noch blasser als ohnehin. »Ich verstehe«,
murmelte er. »Nehmt euch die Nachbarwohnungen vor. Ich bin in einer Minute
oben!«
    Conny hielt ihn am Arm zurück, als er herumfahren wollte. »Was ist
passiert?«
    Â»Der Kerl ist weg!« Eichholz riss sich los. »Die Wohnung ist leer.«
    Â»Aber das ist doch unmöglich! Er war …«
    Â»â€¦Â da«, unterbrach sie Eichholz wütend. »Und wenn Sie fünf Sekunden
früher geantwortet hätten, dann wäre er auch immer noch da gewesen, und wir
hätten ihn gehabt!« Er riss die Tür auf und sprang aus dem Wagen. »Sie rühren
sich nicht von der Stelle, bis ich zurück bin!«
    Die Wucht, mit der er die Tür zuknallte, ließ den gesamten Wagen
erzittern. Conny drehte sich um und sah durch die Frontscheibe hindurch zu, wie
er im Laufschritt zum Lift eilte und in die wartende Kabine sprang.
    Verwirrt sah sie wieder zu den Bildern der Helmkamera hin.
Mittlerweile hatten alle verbliebenen Männer die Wohnung betreten, sodass sie
das winzige Appartement in sich überschneidenden Ausschnitten praktisch
komplett im Blick hatte. Ihr erster Eindruck bestätigte sich: Die gesamte
Wohnung war schwarz – Wände, Boden und Möbel; selbst die Decke war schwarz
gestrichen, und während eines raschen Kameraschwenks erhaschte sie einen
flüchtigen Blick

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