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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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egal, was passiert.« Sie verließ den Wagen, bevor einer der beiden
antworten konnte, sah sich hastig um und lauschte zwei oder drei Sekunden lang
konzentriert. Vielleicht waren da tatsächlich Schritte, vielleicht aber auch
nicht, und sie war gerade dabei, sich endgültig zum Narren zu machen. Eine
Riesenfledermaus, die kopfunter die Wand hinabkletterte, und jetzt ein
Schatten, der Aufzug fuhr – wunderbar! Warum piepste sie Eichholz nicht gleich
an und teilte ihm mit, dass sie Dracula persönlich jagten?
    Sie sah noch einen Moment lang konzentriert in die Richtung, in der
der vermeintliche Schatten verschwunden war, und sah natürlich nichts. Ganz
einfach, weil auch niemals etwas da gewesen war. Sie setzte ihren Weg trotzdem
fort, ging zum Lift und drückte den Rufknopf, und als die Kabine fünf Sekunden
später kam und die Tür aufglitt, blieb die Zeit zum zweiten Mal stehen, und
eine eisige Hand griff nach ihrer Kehle und schnürte ihr die Luft ab.
    Auf dem Boden der Liftkabine lag eine Gestalt in einer grünen
Polizeiuniform. Sein Hemd und die linke Schulter seiner grünen Jacke hatten
sich dunkel gefärbt und glänzten nass, und aus seiner aufgerissenen Kehle lief
hellrotes Blut, das eine rasch größer werdende, dampfende Lache unter seinem
Kopf bildete. Die Finger seiner Linken versuchten vergeblich, den Blutstrom zu
stillen, der aus seiner zerfetzten Kehle sickerte, die andere Hand hatte sich
um den Griff seiner Waffe verkrampft. Es war ihm noch gelungen, den schmalen
Gurt zu lösen, der sie im Halfter hielt, aber nicht mehr, sie zu ziehen.
    Â»Können Sie mich verstehen?«, fragte Conny hastig. Sie versuchte,
seine Hand von der furchtbaren Wunde in seinem Hals zu lösen, aber ihre Kraft
reichte nicht. Immerhin lebte er noch und war bei Bewusstsein. In seinen weit
aufgerissenen Augen stand nichts als Schmerz und maßlose Angst, aber er atmete,
wenn auch mit schrecklich röchelnden, nassen Tönen. Vielleicht war der Schnitt
nicht tief genug gewesen, um ihn sofort zu töten.
    Â»Halten Sie durch!«, sagte sie. »Ich hole Hilfe. Atmen Sie!«
    Sie sprang auf, stürzte aus der Liftkabine und machte nach einem
Schritt noch einmal kehrt, um seine Waffe an sich zu nehmen. Erst dann fuhr sie
endgültig herum und rannte zum Wagen zurück.
    Als sie ihn fast erreicht hatte, flog die Tür auf und traf sie mit
solcher Wucht an der Schulter, dass sie zurücktaumelte und um ein Haar
gestrauchelt wäre, und wahrscheinlich war das der einzige Grund, aus dem sie
der gebogenen Messerklinge entging, mit der der Vampir nach ihrem Gesicht
schlug. Entsetzt stolperte sie einen weiteren Schritt zurück, verlor endgültig
das Gleichgewicht und kippte nach hinten, aber sie war trotz allem auch nicht
zu erschrocken, um nicht die Waffe hochzureißen und abzudrücken.
    Nichts geschah. Sie hörte nicht einmal ein Klicken, und ihr Finger
stieß auf unerwarteten Widerstand. Ein Gefühl von absolutem, kaltem Entsetzen
breitete sich in ihr aus, als sie begriff, dass sie schlicht vergessen hatte,
die Waffe zu entsichern. Ihr Daumen tastete nach dem winzigen Sicherungshebel
an der Seite der Waffe, aber ihre Hand schien sich plötzlich nur noch in
Zeitlupe zu bewegen, als müsse sie gegen einen nahezu unüberwindlichen
Widerstand ankämpfen.
    Aisler hatte diese Probleme nicht. Ganz im Gegenteil schien er sich
plötzlich mit fast übernatürlicher Schnelligkeit zu bewegen. Er trat nach ihrer
Hand und verfehlte sie zwar, nutzte den Schwung seiner eigenen Bewegung aber
auch aus, um sich nach vorn zu werfen und noch einmal nach ihr zu schlagen.
    Conny warf sich in einer verzweifelten Bewegung herum, rollte zwei,
drei Mal über den Boden und erkannte trotz allem, dass es kein Messer war, mit
dem er nach ihr schlug, sondern drei rasiermesserscharfe, silberne Fingernägel
von gut fünf Zentimetern Länge, die wie ein bizarrer Schlagring an seinem
Zeige-, Ring- und Mittelfinger befestigt waren. Nur eine Handbreit neben ihrem
Gesicht stoben Funken aus dem Beton, und Conny warf sich ein weiteres Mal
herum, trat blindlings aus und war beinahe selbst überrascht zu spüren, wie ihr
Fuß auf Widerstand traf. Ein zorniges Keuchen erscholl, und dann war sie
endlich herum und auf den Knien und hörte das befriedigende Klicken, mit dem
der Sicherungshebel nach unten glitt.
    Sie drückte ab, ohne zu zielen.
    Der Schuss ging nicht einmal in seine

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