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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lautlos vor den gleichförmigen Türen in Stellung
geschlichen war. Mehr als dreißig Mann; zwei für jede Wohnung und fünf für das Appartement des vermeintlichen Vampirs, das
Eichholz nun doch als Erstes stürmen lassen wollte – allerdings nur mit einer
Verzögerung von maximal drei Sekunden. Länger würden die fünf Männer nicht
brauchen, um das aus nur zwei Zimmern bestehende Appartement zu stürmen. Wenn
sie ihn dort nicht vorfanden … nun, dann würde drei Sekunden später dort oben
wohl der dritte Weltkrieg ausbrechen.
    Â»Worauf …«, begann Conny, doch Eichholz hob fast erschrocken die
Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und legte die Finger der anderen auf den
winzigen Knopf in seinem Ohr. Conny deutete seinen konzentrierten
Gesichtsausdruck erst jetzt richtig. Offenbar lauschte er schon eine ganze
Weile auf die Stimme darin.
    Weitere fünf oder zehn endlos lange Sekunden verstrichen, dann nahm
Eichholz die Hand herunter und nickte dem Techniker neben sich zu. Das Bild auf
zwei Monitoren wechselte. Eines zeigte jetzt die Fassade des Gebäudes, offenbar
vom Dach des benachbarten Hauses aus aufgenommen, die andere die Großaufnahme
eines Fensters. Das eingeblendete grüne Fadenkreuz entlarvte sie als das Bild
einer Gewehrkamera, mit der einer der Scharfschützen das Fenster anvisierte.
    Der Bildausschnitt zoomte heran, sodass sie jetzt einen Blick ins
Innere des Appartements werfen konnten. Zunächst erkannte sie nur verwaschene
Bewegung und schwarze und graue Umrisse, als wäre die Kamera in einen Tümpel
mit schmutzigem Wasser getaucht, in dem es von grauen Fischen und staubfarbenen
Kreaturen wimmelte, dann wurde das Bild schlagartig scharf, und sie sah den
Ausschnitt eines kleinen und fast vollkommen schwarz eingerichteten Zimmers.
Selbst die Wände waren schwarz gestrichen. Kein Wunder, dass die Kamera Mühe
gehabt hatte, Details aufzufangen.
    Â»Da ist er!«
    Conny hatte kaum mehr als einen flüchtigen Schemen gesehen. Eine
Gestalt – vielleicht –, die für einen Moment im Bild erschienen und dann wieder
verschwunden war. Eine Sekunde später tauchte sie jedoch erneut auf, und
diesmal blieb sie nicht nur stehen, sondern drehte sich auch um und wandte das
Gesicht dem Fenster zu, sodass die Kamera es direkt erfassen konnte.
    Der Techniker fror das Bild ein und tippte hektisch auf seiner
Tastatur, um das blasse Gesicht heranzuzoomen. Es wurde größer, aber auch eine
Spur unschärfer; auf eine fast unheimliche Art ebenso bleich und geisterhaft
wie die geschminkte Totenmaske, die sie in Erinnerung hatte.
    Â»Ist er das?«, fragte Eichholz.
    Sie war nicht sicher. Alles in ihr wollte ja schreien, so laut sie nur konnte, und sei es nur, damit dieser an den Nerven
zerrende Albtraum endlich zu Ende war. Dennoch zögerte sie. Das Gesicht, das
sie in der Diskothek gesehen hatte, war fast bis zur Unkenntlichkeit geschminkt
und von flackerndem Schwarzlicht beleuchtet gewesen, in dem jeder wie Draculas
anämischer Bruder ausgesehen hätte, und später, als sie ihm oben
gegenübergestanden hatte, hatte sie etwas Besseres zu tun gehabt, als sich
seine von purem Hass verzerrten Züge so vorzustellen, wie sie unter anderen
Umständen aussehen mochten.
    Â»Frau Feisst?«, drängte Eichholz.
    Kommissarin Feisst, du Blödmann, dachte
sie, wenn schon. Der Techniker neben ihm riss beinahe
entsetzt die Augen auf, und auch Eichholz runzelte die Stirn; wenn auch eher
verwirrt als erbost. Anscheinend hatte sie nur gedacht, ihre Antwort nur zu
denken …
    Â»Ich bin nicht ganz sicher«, antwortete sie. »Können Sie …?«
    Der Techniker berührte eine einzelne Taste, und das Gesicht auf dem
Monitor drehte sich in ruckelnden Einzelbildern weiter.
    Â»Halt!«
    Das Bild erstarrte, und sie begegnete dem Blick des Vampirs. Es
spielte keine Rolle, ob sie das Gesicht erkannte oder nicht. Die Ähnlichkeit
erschien ihr jetzt sogar weniger groß als ein paar Bilder zuvor, aber das
spielte keine Rolle. Es waren seine Augen, die sie nicht vergessen würde. Er
hätte eine weiße Eishockeymaske tragen können, und sie hätte ihn erkannt.
Niemand, der jemals in diese Augen geblickt hatte, würde sie jemals wieder
vergessen.
    Â»Kommissarin Feisst!«, sagte Eichholz scharf.
    Â»Das ist er«, sagte Conny gepresst. »Kein Zweifel.« Ihr Herz
klopfte, und sie spürte,

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