Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Richtung, aber Aisler prallte
trotzdem zurück und starrte sie für einen Sekundenbruchteil aus aufgerissenen
Augen an, und mehr Zeit brauchte sie nicht, um sich vollends zu ihm umzudrehen
und ein zweites Mal abzudrücken. Diesmal hatte er keine Chance, der Kugel zu
entgehen.
    Er schaffte es trotzdem.
    Aislers Gesicht wetterleuchtete rot im Widerschein der
Mündungsflamme, die aus kaum zwei Metern Entfernung nach ihm stieß, und er
hätte nicht die winzigste Chance haben dürfen, dem tödlichen Geschoss zu
entgehen, doch im allerletzten Moment … schlängelte er
sich irgendwie zur Seite und nach unten, sodass ihn die Kugel verfehlte und
lediglich ein rauchendes rundes Loch in die Karosserie des Wagens hinter ihm
stanzte.
    Sie gab einen dritten Schuss ab, der ihn noch weiter verfehlte und
das Seitenfenster eines Wagens weit hinter ihm zertrümmerte, fluchte ungehemmt
und ergriff die Pistole mit beiden Händen, um genauer zu zielen.
    Aber sie drückte nicht ab. Aisler raste hakenschlagend und in
willkürlichen Sprüngen davon, und obwohl die Tiefgarage hell erleuchtet war,
schien er schon wieder zu einem flackernden Schatten geworden zu sein, der sich
ihren Blicken auf schon fast gespenstische Weise entzog. Sie fand einfach kein
richtiges Ziel.
    Mit einem zweiten und noch sehr viel weniger damenhaften Fluch
sprang sie auf die Beine, machte zwei hastige Schritte in seine Richtung und
schwenkte dann abrupt zur Seite, um in den Sprinter zu hechten.
    Sie hatte geahnt, was sie sehen würde, und trotzdem traf sie der
Anblick wie ein Schlag ins Gesicht.
    Einer der beiden Techniker lag so dicht hinter der Tür, dass sie
buchstäblich über ihn stolperte und gestürzt wäre, hätte sie nicht instinktiv
die Hand ausgestreckt und sich an einem der Regale festgehalten. Ihre Finger
griffen in etwas Nasses, Warmes und Klebriges, sie musste den Mann nicht
umdrehen, um zu wissen, dass er tot war. Sein Blut war überall; auf dem Boden,
den Regalen und Computern und Bildschirmen und selbst an der niedrigen Decke
des Wagens.
    Seinem Kollegen war es nicht besser ergangen. Er musste noch
versucht haben, von seinem Stuhl aufzuspringen und nach irgendetwas zu greifen,
womit er sich verteidigen konnte, denn er war halb von seinem Stuhl und gegen
ein Regal gesunken, und seine rechte Hand umklammerte irgendein technisches
Instrument, das er vergeblich als Waffe einzusetzen versucht hatte. Seine Kehle
war zerfetzt, und Conny begriff in einer einzigen Sekunde absoluten Terrors,
dass er zwar noch lebte, es aber nichts mehr gab, was irgendeine Macht der Welt
für ihn tun konnte.
    Es gelang ihr, das Grauen zurückzudrängen, mit dem das Gefühl so
vollkommener Hilflosigkeit sie lähmen wollte, und nach dem Funkgerät auf dem
Regal neben sich zu greifen. Wahllos drückte sie die Taste und schrie: »Er ist
in der Tiefgarage! Schickt Verstärkung – und einen Notarzt!«
    Sie ließ das Funkgerät fallen, opferte noch einmal eine weitere,
unendlich wertvolle Sekunde, in der sie einfach dastand und die beiden Toten
anstarrte, dann fuhr sie herum und sprang im gleichen Moment aus dem Wagen, in
dem das Funkgerät hinter ihr eine quäkende Antwort ausstieß. Sie hatte keine
Zeit, zu antworten. Auch, wenn es ihr unendlich viel länger vorgekommen war –
tatsächlich hatte Aisler allerhöchstens zehn Sekunden Vorsprung. Und noch
einmal würde ihr dieser Mistkerl nicht entkommen, koste es, was es wolle.
    Sie lief ein paar Schritte in die Richtung, in der der Vampir
verschwunden war, blieb abrupt wieder stehen und lauschte mit angehaltenem
Atem, aber ihr eigenes Herz hämmerte so laut, dass es jedes andere Geräusch zu
übertönen schien. Und jetzt meldete sich auch ihr Verstand wieder zu Wort, der
ihr klarzumachen versuchte, dass das, was sie tat, nicht nur im höchsten Maße
gefährlich und dumm, sondern auch vollkommen überflüssig war. Aisler saß in der
Falle. Den Aufzug hatte sie im Blick, und vor der Ausfahrt wartete eine halbe
Hundertschaft Polizisten nur darauf, jeden in Handschellen zu legen, der auch
nur die Nase ins Freie steckte. Und in spätestens zwei oder drei Minuten würde
es hier unten von SEK -Beamten nur so wimmeln. Er
konnte nicht entkommen.
    Aber wen interessierte Vernunft? Sie wollte dieses Schwein haben,
das war alles, was zählte.
    Sie ging weiter, wenn auch nicht mehr im Laufschritt, sondern
vorsichtiger, und sie

Weitere Kostenlose Bücher