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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geschätzt hatte,
sondern nur aus sieben oder acht Sprossen. Das letzte Stück musste sie mit
einem kurzen Sprung zurücklegen, nach dem sie sich in einem schmalen Gang mit
nackten Betonwänden wiederfand, der so niedrig war, dass sie nur gebückt darin
stehen konnte. Unter der Decke brannten in regelmäßigen Abständen schwache
Glühbirnen hinter rostigen Drahtkörben, und ein Gewirr grauer Plastikrohre und
dicker, mit zerknitterter Metallfolie umwickelter Leitungen zog sich an den
Wänden entlang. Es war sehr warm, fast stickig, und in der Luft lag ein dumpfes
Vibrieren und Brummen, eher zu spüren als wirklich zu hören.
    Einen Moment lang war sie unschlüssig. Der Gang setzte sich in beide
Richtungen fort und endete sowohl rechts als auch links in einem offensichtlich
größeren Raum, in dem ebenfalls Licht brannte. Wenn sie die falsche Richtung
nahm, dann war Aisler weg.
    Und das war er auch, wenn sie noch weiter hier so dumm herumstand
und sich gar nicht rührte, dachte sie ärgerlich. Sie musste es einfach
riskieren. Es gab schlechtere Chancen als eins zu eins.
    Sie zog ihre Waffe, wandte sich nach links und eilte los. Alle paar
Schritte blieb sie stehen und lauschte. Das brummende Geräusch schien
zuzunehmen, aber das war auch alles.
    Kurz bevor sie das Ende des Ganges erreichte, sah sie, dass sie auf
dem richtigen Weg war. Nur eine Handbreit vor dem Durchgang glänzte Blut auf
dem Boden; kein einzelner Tropfen diesmal, sondern eine regelrechte Pfütze, und
auf der Wand – sonderbarerweise in Kniehöhe – entdeckte sie einen blutigen
Handabdruck. Sie hatte den Kerl erwischt, und wie es
aussah schlimmer, als sie bisher zu hoffen gewagt hatte. Offensichtlich war er
hier auf die Knie gefallen und hatte sich an der Wand abgestützt, um wieder
aufzustehen. Sehr weit, dachte sie grimmig, würde er in diesem Zustand nicht
mehr kommen. Wie es aussah, war er dabei, zu verbluten.
    Sonderbarerweise empfand sie bei dieser Vorstellung keine
Erleichterung, sondern eher etwas wie grimmige Enttäuschung. Sie wollte dieses
Schwein lebend erwischen.
    Um es dann selbst umzubringen.
    Conny konzentrierte sich mit aller Macht auf den Raum auf der
anderen Seite des Durchgangs. Er war von demselben trüben Licht erfüllt wie der
Gang, der sie hierher geführt hatte, und sie konnte von ihrer Position aus nur
einen schmalen, dreieckigen Ausschnitt einsehen. Immerhin erkannte sie, dass es
sich um eine Art Maschinenraum zu handeln schien, was wohl auch die Erklärung
für das unheimliche Vibrieren und Summen war, das in der Luft lag. Sie sah
klobige Maschinen und zahllose Rohrleitungen und Kabel. Und jede Menge tote
Winkel, in denen sich der Mistkerl verstecken konnte, um mit seiner selbst
gebastelten Vampirkralle über sie herzufallen. Vielleicht war es doch besser,
wenn sie wartete, bis er verblutet war.
    Ganz bestimmt nicht.
    Mit angehaltenem Atem schlich sie weiter, blieb nach ein paar
Schritten wieder stehen und lauschte. Irgendetwas scharrte, ohne dass sie die
Richtung feststellen konnte, aus der das Geräusch kam. Unendlich vorsichtig,
die Waffe an ausgestreckten Armen vor sich, drehte sie sich einmal um sich
selbst und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Das hier musste so
etwas wie die Heizungs- und Versorgungszentrale des gesamten Wohnblocks sein.
Sie sah gleich zwei gewaltige Heizkessel und ein wahres Labyrinth von Rohren,
die trotz der dicken Isolation der Quell der unangenehmen, trockenen Wärme
waren, die ihr allmählich selbst das Atmen schwer machte, und eine Anzahl
großer Schaltschränke und -kästen, die wie antike Computer aus den Sechzigerjahren
des vergangenen Jahrhunderts anmuteten. Der Raum war gut zwei Meter hoch, aber
irgendwie hatte sie trotzdem das Gefühl, den Kopf einziehen zu müssen, um nicht
gegen die Decke zu stoßen. Auf der anderen Seite gab es eine massive
Feuerschutztür aus Metall. Von dem Vampir war keine Spur zu sehen.
    Der sprang sie an, als sie die Tür erreicht hatte und gerade die
Klinke herunterdrücken wollte.
    Sie hätte keine Chance gehabt, hätte sie nicht im buchstäblich
allerletzten Sekundenbruchteil eine Bewegung aus den Augenwinkeln heraus
registriert, die sie zusammenfahren ließ. Pures Glück, das nichts mit Reaktion
zu tun hatte. Statt ihre Halsschlagader aufzureißen, fetzten die Stahlkrallen
des Vampirs nur mit einem hässlichen Geräusch durch den Stoff

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