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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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dass sie sich nicht zum ersten Mal in einem attraktiven Mann geirrt hatte. Trotzdem ließ sich die leise Stimme in ihrem Kopf nicht abstellen, die unentwegt raunte, dass der Mann nicht betrunken gewesen war, als er sie auf der High Street angerempelt hatte. In Gedanken vielleicht – aber nicht betrunken. Wie aber konnte sich das so schnell ändern? Kate hatte die Sirene des Krankenwagens unmittelbar nach Verlassen des Schreibwarengeschäfts gehört, also höchstens fünfzehn bis zwanzig Minuten später. Natürlich konnte es auch ein ganz anderer Krankenwagen gewesen sein. Vielleicht war Townsend ins College zurückgekehrt, hatte sich mit ein paar Freunden getroffen, dabei eine halbe Flasche Whisky getrunken, war auf den Turm gestiegen, möglicherweise gar mit glatten Ledersohlen, und war dann hinuntergestürzt, nachdem er irgendwie die ein Meter hohe Brüstung überwunden hatte.
    Hier gab es kein Geheimnis zu lösen – sie musste nur endlich aufhören, darüber nachzugrübeln. Kate schob die unwahrscheinliche Abfolge von Ereignissen in Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf Emmas Ausführungen.
    »Gleich zeige ich dir die Büros, wo Haushalts- und Entwicklungsplanung untergebracht sind. Du solltest auch die Leute von der Finanzverwaltung kennen lernen, denn mit denen wirst du zusammenarbeiten. Ich bitte Sadie, dir Chris’ Akten auszuhändigen – dann kannst du dir ein Bild von seiner Arbeit machen.«
    »Wer hat eigentlich behauptet, dass er betrunken war?«, fragte Kate, ohne nachzudenken.
    »Wie? Was um alles in der Welt redest du da?«
    »Ach, nichts«, sagte Kate. »Tut mir Leid, mir ist da gerade etwas durch den Kopf gegangen. Los, komm, besuchen wir die Leute in der Finanzverwaltung.«

    Der frühe September ist nicht gerade die ideale Zeit, um Pflanzen zu beschneiden. Dennoch stand Briony Townsend mit der Rosenschere in der Hand im Garten und machte sich über Clematis, Rosen, Duftschneeball und Säckelblume her. Sie arbeitete mit wilden, ruckartigen Bewegungen und hielt nur dann und wann inne, um ihr Haar zurückzustreichen oder sich die feuchten Hände an ihrer Jeans abzuwischen. Zuvor schon hatte sie den Rasen auf einen halben Zentimeter zurückgestutzt, schien aber nicht in der Lage zu sein, ihrer Zerstörungswut Einhalt zu gebieten. Sie attackierte die Vegetation, die noch immer üppig um sie herum wucherte. Berge von Zweigen und belaubten Ästen häuften sich zu ihren Füßen. An der langen Verwüstungsspur konnte man erkennen, dass sie auch bereits im nicht einsehbaren Teil des Gartens gehaust hatte. Im Nachbargarten, der hinter einer Pergola mit Kletterpflanzen verborgen lag, jaulte ein Hund, als verstehe er Brionys Verzweiflung.
    »Oh, nein, Briony! Hören Sie auf damit, meine Liebe!«
    Briony hatte nicht gehört, dass Honor Flint durch das Seitentor in den Garten gekommen war.
    »Sie wollten doch, dass ich mich wieder meinem Garten widme. Nun, das habe ich getan!«
    »Geben Sie mir die Rosenschere. Sie möchten doch sicher die arme Clematis nicht ruinieren! Und solange die Rosen noch blühen, dürfen Sie auf keinen Fall derart an ihnen herumschnibbeln. Die Pflanzen haben Jahre gebraucht, um so schön zu werden – und Sie metzeln sie einfach nieder!«
    Briony blickte Honor Flint an und stampfte mit dem Fuß auf. Dabei zertrat sie eine Pflanze mit kleinen, grünen Blättern. Thymianduft breitete sich aus.
    Sie hatte den Garten so geplant, dass einzelne Bereiche jeweils einen eigenen Charakter bekamen und gegeneinander verborgen lagen, sodass man nie das Ganze wahrnehmen konnte. Verschwenderisch über Säulen und Bogen wuchernde Pflanzen schirmten die einzelnen Bereiche ab und führten gleichzeitig das Auge zum nächsten Ausblick. Doch jetzt hackte und wütete Briony so heftig, dass die Anlage bereits sichtlich gelitten hatte und, sollte sie so weitermachen, bald nicht mehr erkennbar sein würde.
    Sie hob den Trieb eines Bodendeckers auf und schnitt ihn ab.
    »Was hat das jetzt noch für einen Sinn?«, weinte sie auf. »Ich habe diesen Garten für uns angelegt. Für uns beide. Jeden Tag habe ich hier gearbeitet. Ich habe die Pläne gezeichnet, habe gelernt, wie man mauert, habe umgegraben und kompostiert. Ich habe Wildfremde um Ableger angebettelt, ich habe Sämlinge ausgebracht. Und wozu das Ganze?« Blindlings schlug sie mit der flachen Hand in einen Busch. Rosmarinduft mischte sich in den des Thymians.
    »Jetzt gehen wir erst einmal hinein und machen uns eine Tasse Tee.«
    Briony

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