Unheil ueber Oxford
lächelte und schüttelte den Kopf, als sei sie ebenfalls erleichtert, dass Emma fort war. »Ich heiße Sadie James«, stellte sie sich vor. Wahrscheinlich hatte Emma auch hier eine Schneise der Unordnung hinter sich zurückgelassen, wie sie es in ihrem eigenen, chaotischen Zuhause tat. »Ich bin derzeit Chefin der Haushaltsabteilung«, fügte Sadie hinzu. »Mit anderen Worten, ich bin zuständig für das Gesamtprojekt dieses Workshops. Sie hingegen sind für den tagtäglichen, reibungslosen Ablauf zuständig.« Sie wartete einen Augenblick, ehe sie hinzufügte: »Unter Emmas Anleitung.«
Kate nickte. Dazu gab es nicht viel zu sagen, außer der Hoffnung, Emma möge nicht allzu oft auftauchen. Doch diesen Wunsch konnte sie wohl kaum vor Sadie James aussprechen. Dazu müsste sie sie erst besser kennen. Sadie dürfte etwa sechsundzwanzig sein, dachte Kate, und beobachtete die junge Frau, die sie zur gegenüberliegenden Tür führte. Sie besaß eine beeindruckende Menge kastanienbrauner Locken. War das alles echt? Vermutlich, entschied Kate. Auch die Haarfarbe war vermutlich sehr viel natürlicher als ihre eigene. Dunkle, grünlich graue Augen, ausdrucksvolle Augenbrauen, kleine, gerade Nase und volle Lippen, die durch den großzügigen Gebrauch von scharlachrotem Lippenstift noch üppiger wirkten. Groß, schlank, überwältigend. Einen halben Kopf größer als Kate. Doch ihr Lächeln war freundlich.
»Gut«, sagte Kate. »Sie sollten mich am besten zunächst in das einweihen, was hier so passiert. Sie wissen alles über den Workshop – machen Sie mich damit vertraut.«
»Als Erstes werde ich Sie allen Mitarbeitern vorstellen, weil Sie mit mir zusammen im Büro nebenan arbeiten.«
Hinter ihnen klingelte ein Telefon. »John!«, rief jemand. »Ich habe gerade zu tun. Könntest du mal drangehen?«
»Ich gehe nicht ans Telefon«, ließ sich eine männliche Stimme vernehmen. »Ich bin der Assistent des Quästors, nicht irgendjemandes Sekretär!«
Sadie schnitt eine Grimasse in Katies Richtung. »Tut mir Leid«, entschuldigte sie sich und nahm selbst den Hörer ab, was Kate die Möglichkeit verschaffte, sich umzuschauen.
Der Mann namens John sprach weiter, obwohl ihm offenbar niemand zuhörte. Er suchte Kates Blick und begann, auf sie einzureden. »Ich sitze nur in diesem Büro, weil meines gerade gestrichen wird«, sagte er. »Genau genommen gehöre ich gar nicht hierher. Nichts von alledem steht in meiner Job-Beschreibung.«
Aha, so einer also, dachte Kate und nickte. In jedem Büro schien es einen solchen Angestellten zu geben, der haargenau wusste, was er zu tun hatte; nie im Leben würde er sich freiwillig zu einer der Kleinigkeiten hinreißen lassen, die für eine erfreuliche Arbeitsatmosphäre sorgen. Er hatte sich in seinem Sessel vorgebeugt und starrte sie schamlos an. Ein dünner Mann mit schütterem, braunem Haar, einer auffallend großen Nase und hellgrünen Augen. Die Schultern seiner Anzugjacke waren mit Schuppen übersät. Aus den Ärmeln stachen knochige Handgelenke mit rötlich behaarten Händen hervor. Kate wäre gern so schnell wie möglich verschwunden, denn seine Art, ihre Beine zu begutachten, gefiel ihr ganz und gar nicht. Doch Sadie hing noch immer am Telefon; von ihr war keine Hilfe zu erwarten.
»Sind Sie die Nachfolgerin von Chris?«, fuhr John fort. »Haben Sie Erfahrung in dieser Art Arbeit?« Ohne eine Antwort abzuwarten, redete er weiter. »Wo haben Sie bisher gearbeitet? Merkwürdig, dass man in derart kurzer Zeit kompetenten Ersatz gefunden hat.«
»Mein Name ist Kate Ivory«, stellte sie sich vor. »Ich übernehme die Routinearbeiten im Zusammenhang mit dem Workshop und bin nur befristet hier.«
»Kate Ivory? Etwa die berühmte Autorin?« In seiner Stimme lag eine höhnische Note, die Kate nicht gefiel. »Wer weiß, vielleicht gefällt es Ihnen bei uns so gut, dass Sie nie wieder fortwollen.«
»Ich glaube kaum, dass ich hier ständig arbeiten möchte – nein danke. Außerdem habe ich ein Buch fertig zu schreiben, sobald meine Arbeit hier beendet ist.«
»Mich wundert, dass Sie sich überhaupt zu einem solchen Alltagsjob herablassen«, sagte John.
»Und was machen Sie so?«, erkundigte sich Kate, um das Thema zu wechseln.
»Ich heiße John Clay. Allerdings glaube ich kaum, dass Sie schon einmal von mir gehört haben. Ich kümmere mich um Zimmer und Reinigungspersonal, solange der Verwalter nicht da ist. Ich könnte mir vorstellen, dass wir eine Menge gemeinsamen
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